Gerade die Öffentlich-Rechtlichen, die sich aktuell – nicht zu Unrecht – als noch wichtiger empfinden als ohnehin immer, können derzeit wertvolle Lehren ziehen. Etwa was die Fülle ihrer Angebote betrifft. Lineares Fernsehen funktioniert weiter – und je besser, desto wichtiger seine Sendungen sind. Wenn ein möglichst großes Publikum echte Ereignisse gespannt erwartet. Sicher sind ein paar Nebenkanäle mit kuratiertem Repertoire, an das sich aktuell anknüpfen lässt oder das auf bevorstehende Ereignisse gespannt macht, weiterhin sinnvoll. Sie könnten sogar solche Talkshows wiederholen, die sich als spannend erwiesen haben. Doch müssen nicht alle Talkshows wiederholt werden, wenn sie für hartgesottene Fans ohnehin non-linear zum Abruf bereitstehen. Umso wichtiger wären möglichst ziel(gruppen)genau konzipierte Kanäle und nicht-lineare Angebote: für Kinder unterschiedlichen Alters und für Erwachsene mit unterschiedlichen Interessen.
So forderte gerade das ZDF-Fernsehratsmitglied Leonhard Dobusch ein „KulturTube“ von ARD und ZDF, nicht um Googles YouTube oder Facebooks Instagram „zu ersetzen, sondern um eine öffentlich-rechtliche Alternative jenseits von Tracking und Werbefinanzierung mit regionaler Verankerung zu bieten“. Der Bedarf zeigt sich so deutlich wie noch nie. Es müsste nicht sein, dass viel Engagement und viele durchaus gute Ideen öffentlich-rechtlicher Anstalten zwangsläufig dazu beitragen, den ohnehin gewaltigen Einfluss der Datenkraken unumkehrbar noch weiter zu stärken. Und dass die beiden größten linearen Programme zur selben Zeit Talkshows zum selben Thema bieten, mit dem Bundeswirtschaftsminister in der ARD und dem Bundesfinanzminister im ZDF, zeigt, dass das lineare Fernsehen in der gewaltigen Breite der Jahrtausendwende seinen Höhepunkt überschritten hat, und zwar nicht erst in diesem Frühjahr.
Christan Bartels, medienkorrespondenz.de, 03.04.2020 (online)