„Organisierte Verantwortungslosigkeit“ – der Untersuchungsbefund zum Zustand im Sender – bedeutet konkret, dass die Gremien und Leitungspersonen einer starken Willenskraft im Sender nichts oder nichts Relevantes entgegenzusetzen haben – oder es auch nur wollen. Das zeigt sich in der bewundernswerten Genauigkeit des Ausschusses zur Frage, wer wann wofür in der damaligen Geschäftsführung Verantwortung trug; aber genauso könnte man in Pudding stochern. […]
Skepsis und knallharter Widerstand, wie sie ein Rechnungshof oder die Beitragsermittler von der Kommission KEF schon qua Amt aufbringen, ist im Konstrukt der Selbstkontrolle psychologisch und konstitutionell unwahrscheinlich. Im Rundfunkrat bildet man Allianzen, setzt auf Persönlichkeiten, die man für glaubwürdig hält – auch im Verwaltungsrat des RBB, der für die Senderfinanzen zuständig ist, wurde offensichtlich wenig Widerstandskultur gepflegt. Es ist auch auffällig, wie oft die KEF zum Beispiel beim Betrachten von öffentlich-rechtlichen Bauprojekten zu viel kritischeren Einschätzungen kommt als der Verwaltungsrat der jeweiligen Anstalt, der die Finanzen kontrolliert. Ein Sender in der gegenwärtigen ARD einschließlich seiner Aufsicht ist in Wirklichkeit eher ein gemeinsames politisches Gebilde. […]
Bei einer Intendantenwahl ist es legitim, sich überzeugen zu lassen und Allianzen einzugehen. Bei der finanziellen Kontrolle oder Compliance-Fragen hingegen ist Vertrauen schädlich und Netzwerke sind völlig unangebracht. Der RBB-Untersuchungsausschuss hat zutage gebracht, was auch der Zukunftsrat sagt. Die ARD braucht eine ganz andere Aufsicht über ihre Zahlen, also über das Beitragsgeld: eine kühle, misstrauische, zentrale Instanz, die nicht mit dem Besten rechnet, sondern mit Zuständen wie bei einem gigantisch verbockten Flughafen.
Claudia Tieschky, sueddeutsche.de, 19.06.2024 (online)