Reden wir über Medien, reden wir über Medienjournalismus. Reden wir also über einen klaftergroßen Widerspruch. Deutlich ist er zu spüren und führt doch zu erstaunlich wenigen öffentlichen Debatten. Medienjournalismus ist nicht tot, es riecht nur etwas streng, könnte man in Abwandlung eines Spruchs von Frank Zappa über Jazz formulieren.
Auf der einen Seite haben wir eine sich mit Tempo und Totalität ausbreitende Informationsgesellschaft, auf der anderen Seite eine zunehmend schwächelnde Beschäftigung mit deren Strukturen und Folgen – wahrzunehmen durch einen schon nicht mehr schleichenden, vielmehr trabenden Bedeutungsverlust des Medienjournalismus. Er findet sich inzwischen in der publizistischen „Mauerblümchen“-Kategorie wieder. Dabei handelt es sich um eine Königsdisziplin der Branche.
Trolle und Desinformationsagenten
Das ist einigermaßen absurd. Schließlich prägen ja immer öfter nicht Wirklichkeiten unser Bild von der Welt, sondern die Erzählungen darüber, die medial vermittelten „Narrative“. Die Kontrolle über diese Erzählungen obliegt aber nur noch bedingt einem der Qualität und Werten verpflichtenden Journalismus, dem alten Türwächter der Öffentlichkeit. […]
Die Kernfrage lautet: Inwieweit sind Presse und öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Lage, ein positives Gegenbild zum publizistischen Inferno der vorzugsweise amerikanischen Internetkonzerne abzugeben, oder sind sie in Wahrheit längst deren Zulieferer und Vollstrecker geworden?
Und da wird Medienjournalismus nicht mehr gebraucht? Ab zur Schutthalde damit, fertig machen zum Verklappen? Es müsste gerade andersherum sein: Wo ist der Medienjournalismus, der mit den drängenden Fragen der Kommunikationsgesellschaft fertig wird? Schaut man auf die deutsche Realität, sieht man eine Trümmerlandschaft. Unter den Tageszeitungen haben beispielsweise nur noch „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „taz“ glücklicherweise ein Medienressort, das den Namen verdient. Fast ist man geneigt, an das Bild vom „letzten Mohikaner“ zu denken und fragt sich, wo der schlagkräftige Nachwuchs von Medienjournalisten bleibt. Oder nehmen wir die konfessionelle Publizistik, wo die katholische Kirche in Sachen Medienpublizistik mit dem Ende der „Medienkorrespondenz“ (vormals „Funkkorrespondenz“) 2021 ein unrühmliches Kapitel schrieb. […]
Es darf daran erinnert werden, dass vor rund 40 Jahren mit dem Aufkommen privater Rundfunkmedien in Deutschland der Medienjournalismus auch einmal als innovativ und chic gegolten hat. Auf den früheren Fernsehseiten der Tageszeitungen wurden nun auch Berichte über die oft lauten, skurrilen Machtkämpfe im Privatfernsehen und Privatradio abgedruckt.
Hans-Jürgen Jakobs, epd medien, 24.3.2023 (online)