Illner moderierte dabei weniger gegensätzliche Positionen, als dass sie in die Rolle der Vertreterin einer gedachten Bevölkerungsmehrheit schlüpfte. Die habe, wie Illner in Anlehnung an Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, nun „die Nase voll“. „Alle“ fühlten in Illners Lesart so, und zwar nicht bezogen auf kriminelle Gewalt, sondern auf kriminelle Gewalt von Zuwanderern. Amann packte das Thema ähnlich an und sagte, dass auch sie sich als Mutter eines Kindergartenkindes Sorgen mache. Beide Journalistinnen nahmen so die Position einer Bevölkerung ein, die vermeintlich mehrheitlich glaubt, dass Straftaten durch mehr Abschiebungen oder dichte Grenzen bekämpft werden sollen. Diese Positionierung führte denn auch dazu, dass die Diskussion eher unproduktiv war. […]
Bei so viel Eifer kam Schmidt kaum durch mit dem Verweis auf die um mehr als dreißig Prozent zurückgegangene Zahl der Asylanträge, das Grundrecht auf Asyl oder die Menschenrechtskonvention. Illner, deren Redaktion es versäumt hatte, eine anders als parteipolitisch begründete Gegenstimme einzuladen – zum Beispiel einen Kriminalstatistiker oder einen unabhängigen Juristen – spielte weiter Volkes vermeintliche Stimme und klagte: „Wir schaffen es einfach nicht, Straftäter abzuschieben.“
Frauke Steffens, faz.net, 24.01.2025 (online)