Über Jahre plapperten Moderator:innen nach, was andere ihnen vorkauten – ohne Kritik oder Recherche. Warum Geipel ihr Leben als Spitzensportlerin öffentlich infrage stellte, wollten sie wissen und legten Geipel die „Weltklasse“ förmlich in den Mund. Die muss nicht lügen, nickt nur. Das ist ethisch fragwürdig, vor allem aber ist es eine Blamage der Medien. Denn ein Weltmeistertitel kommt nicht von irgendwo. Der ist erstritten und dokumentiert, also recherchierbar. In den deutschen Medien scheint er eine Glaubenssache – wenn alle es nur oft genug sagen, wird es schon stimmen.
Das ist peinlich und bedarf Erklärungen. Die bleiben bisher aus – angedichtete Weltmeistertitel scheinen schlecht erklärbar. Laut der MDR-Medienkolumne „Das Altpapier“ sei die Wurzel des Übels das „mediale Prominenz-System“. Das heißt, Medien reden mit den immer selben Prominenten und stellen sie „mit stets ähnlichen, gerne superlativischen Attributen“ vor. Am Ende bleibt dann mehr Erzählung als Realität.
Der Fall Geipel zeigt aber auch: DDR-Stereotype in den deutschen Medien lohnen sich! Stasi-Verfolgte, Dopingopfer oder Bürgerrechtler:innen – das Casting-Profil bestimmt den Fokus; wer dieses Profil gut bedient, hat ausgesorgt. Komplexität fällt so gern durch mediale Maschen, und am Ende wird auch DDR-Geschichte mehr Erzählung als Realität – immer entsprechend heutiger Interessen, versteht sich.
Mandy Tröger, berliner-zeitung.de, 13.2.2023 (online)