Deutsche Bibliotheken durchsuchen ihre Bestände nach Gift in alten Farbstoffen, die früher fest zum bürgerlichen Interieur gehörten. […]
Stets war die Farbe Grün im Spiel, als vor Kurzem in dichter Folge mehrere große Bibliotheken bekannt gaben, sie hätten Bestände aus dem Erscheinungszeitraum von 1800 bis 1900 wegen möglicher Arsenbelastungen für die Ausleihe und Benutzung vor Ort sowie die Fernleihe gesperrt. In nahezu gleichlautenden Erklärungen wurden die Benutzer und die Öffentlichkeit darüber informiert, dass bei der Buch- und Zeitschriftenproduktion im 19. Jahrhundert Farben verwandt wurden, die – vor allem beim Grün – giftige Arsenverbindungen enthielten.
Die Universitätsbibliothek Bielefeld ging mit 60 000 Büchern und Zeitschriften voran, es folgten die Universitätsbibliotheken in Siegen mit 12 000 und Duisburg-Essen mit 18 000 Bänden, und am 6. März kündigte die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf an, sie werde ab dem 18. März vier Standorte für mehrere Tage schließen, um die Separierung potenziell arsenbelasteter Bestände vornehmen zu können. […]
Einfach ist das nicht. Nicht jedes Grün ist giftig, nicht jede andere Farbe in Büchern ungiftig. In verschiedenen Verbindungen sind die Arsenpigmente unterschiedlich giftig, die Gefährdungsgrade differieren. In Kiel lag der Schadstoffgehalt in Magazinräumen mit historischen Beständen nahe an der Messbarkeitsgrenze, der Aufenthalt in den Räumen war also ungefährlich. Als markantere Gefahrenquelle erwies sich der Staub. Ein Schlüsselvorgang ist die anfängliche Identifizierung und Markierung von Büchern mit verdächtigen Merkmalen, damit nicht mehr Bücher als nötig der Separierung und Schadstoffanalyse unterzogen werden. Es kann Bibliotheken geben, die sinnvollerweise erst bei Nutzeranfragen auf Bücher zugreifen, die sich dann als Verdachtsfälle erweisen, separiert und untersucht werden. In jedem Fall kommen auf die Bibliotheken Kosten zu.
Lothar Müller, sueddeutsche.de, 12.03.2024 (online)