„Aufregung im Netz“ ist im Medienjahr 2023 in etwa so aufregend wie ein Rewe City in Köln-Ehrenfeld, sie scheint aber vor allem achtsame Universitäten, um ihr Image bemühte Konzerne oder größere Sendeanstalten immer noch verlässlich in Krisen zu stürzen. […]
Sicher, man könnte einen Shitstorm als digitales Äquivalent zu ein paar wütenden Menschen mit Pappschildern sehen, als völlig legitime Gegenrede also, die zur inneren Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung anregt, statt als das übliche und von vielen tausend Feiglingen stets anonym versendete „Lösch Dich, Du Abschaum“. Es sind aber verlässlich die medialen Großinstitutionen, die schon bei der geringsten Aufdünung von Empörung zuverlässig kopflos agieren und ihren planlosen PR- und „Social“-Abteilungen die Regie überreichen […]
Viele große Sender, Medien oder Firmen wissen demnach nur unzulänglich, wen sie beschäftigen – und sie wissen leider überhaupt nicht mehr, was sie sind oder sein wollen. Ein bisschen woke, ein bisschen gendern, dann wieder nicht gendern, weil die Marktforschung eben erst nachgewiesen hat, dass die Leute die ganze Genderei leider in großer Zahl entsetzlich finden. So geht es, wenn man keine Haltung mehr hat, sondern nur noch einen Jargon
Micky Beisenherz, sueddeutsche.de, 13.3.2023 (online)