1. Leistungsanalyse der Programmangebote durch Kennzahlen. Da sich aus wissenschaftlicher Sicht die qualitative Nutzung und die Wirkung auf die individuelle Meinungsbildung nicht in Messdaten überführen lassen, sondern auf qualitative soziologische Einzelanalysen angewiesen sind, die auch das Vorwissen und Voreinstellungen von Nutzern einbeziehen, um die »Wirkung auf den öffentlichen Diskurs« bewerten zu können, sollte an dieser Stelle der Blick geweitet werden. Dazu kann eine Auseinandersetzung mit dem Konzept des Public Value verhelfen, wie es von seinem Urheber Mark Moore und in Grundsatzpapieren der BBC gefasst wurde. Dort wird Public Value als permanent stattfindende Aushandlung zwischen Auftraggebern, Anbietern und Rezipienten/Kunden beschrieben. Angebotsanalysen allein lassen vielleicht etwas über die Absichten der Anbieter ahnen, aber sagen nichts über den gesellschaftlichen Wert der Angebote aus, der sich erst in der Rezeption und einem Feedback darüber ermitteln lässt.
2. Einrichtung eines Medienrats. Die Idee eines unabhängigen externen gutachterlichen Gremiums krankt daran, dass seine personelle Zusammensetzung von den bestehenden Rundfunkgremien und Landesregierungen bestimmt werden soll. […] Es könnten umlaufend wissenschaftliche Institute, die sich mit Medienanalysen befassen, für 4 bis max. 8 Jahre zur Abordnung von Gutachterinnen und Gutachtern beauftragt werden. Es gibt in Deutschland eine ausreichende Anzahl solcher Institute, von Hamburg bis München, von Mainz bis Leipzig. […]
3. Reduktion von linearen Kanälen und Wellen. Es fehlt die klare Aussage, dass die Stillegung der linearen Angebote nicht bedeutet, dass die eigenständigen Programmangebote, die für die betreffenden Kanäle erarbeitet werden, wegfallen sollen. Vielmehr ist es notwendig, auch angesichts des Nutzungsverhaltens im Bewegtbildbereich, entsprechende Angebote in den Mediatheken zu verstärken. […]
4. Verbot der Presseähnlichkeit. Presseähnlichkeit ist und bleibt ein unbestimmter, wenn nicht unbestimmbarer Begriff. Mehr noch, er ist eine Art Kampfbegriff der Presseverlage, die ohne Nachweis potentielle Umsatzeinbußen durch öffentlich-rechtliche Textangebote behaupten. Gleichzeitig nutzen Presseverlage alle populären Angebotsformen des Internets: Newsletter, Podcasts, Videos, Social-Media-Kanäle usw. Keine Marktanalyse im Rahmen der Dreistufentest von öffentlich-rechtlichen Internetangeboten hat nennenswerte vorhandene oder potentielle Einbußen von kommerziellen Marktteilnehmern ergeben, so dass die Erwähnung und sogar neu eingeführte Verschärfung der »Presseähnlichkeit« nur als Zugeständnis gegenüber der Presselobby verstanden werden kann. Den aktuellen Angeboten der Presseunternehmen wird dadurch jedoch real in keiner Weise geholfen, während es für die öffentlich-rechtlichen Medien eine Beschneidung von mediengerechten Angebotsformen bedeutet – was letztlich auch im Widerspruch zur beauftragten Innovationsverpflichtung des MStV steht.
Hermann Rotermund, Stellungnahme, 01.10.2024 (online)