Anfangs fehlt es nicht an Beifall und Respekt für die 1989er Katharsis der DDR-Medien. Der damalige ZDF-Intendant Dieter Stolte fühlt sich gar veranlasst, den DFF ab Ende 1989 am Kulturkanal 3sat zu beteiligen. Das heißt, dem Ostfernsehen werden Programmanteile zuerkannt, sodass z.B. das Nachrichtenjournal AK zwo 1990 Tag für Tag 3sat quasi abrundet und jeweils zum Sendeschluss ausgestrahlt wird.
Überdies steht die Frage im Raum, ob sich der Neuantritt im Osten nicht dafür nutzen lasse, eine Reform des gesamten öffentlich-rechtlichen Systems voranzutreiben, um nicht zuletzt der Konkurrenz mit einem sich forsch etablierenden Privatfernsehen gewachsen zu sein. Eine Fünf-Länder-Anstalt ODR wäre ein Plädoyer gegen die Ein-Land-Anstalten im Westen, gegen teure Subventionsfälle im Saarland, in Bremen, Westberlin und Hessen, die ohne ARD-Finanzausgleich nie existieren könnten. Woran sich auch drei Jahrzehnte später nichts geändert hat, unter anderem deswegen sind ja ab 2021 wieder einmal erhöhte Rundfunkgebühren fällig.
Doch haben ARD und ZDF an einem ostdeutschen Wettbewerber namens ODR, der ihnen vom Ranking her womöglich ebenbürtig wäre, nicht das mindeste Interesse. Am Gebührenfressnapf sitzen und Werbeschüsseln auslöffeln, das soll ihnen allein vorbehalten bleiben. 13,2 Millionen Zuschauer in der DDR (Stand 1990) sind ein lukrativer Markt für Werbekunden und ein Biotop, das eigener Einflussnahme unterworfen werden soll. Und dafür den erforderlich politischen Flankenschutz zu erhalten, um den DFF als unerwünschten Inländer hinauszuwerfen, ist Verlass – Staatsferne hin oder her. …
Was diesen Eroberungsfuror ausmacht, ist seine Rechtsferne. Weil die Frequenzvergaben Ende 1990 durch keinen Rundfunkbeirat legitimiert sind – es gibt sie im Osten schlichtweg noch nicht – bleibt die rundfunkrechtliche Verantwortung für die ARD auf Ostfrequenz formal beim DFF. Nicht nur Totgesagte, auch Totgeschlagene leben länger.
Lutz Herden, FREITAG 27/2020 (online)