Viele Chefs wollen heute KI-Experten sein. Schließlich eignet sich der Begriff vortrefflich, um Fehler zu kaschieren und sich als Innovator zu verkaufen. […] Sparmaßnahmen, die nicht selten auf strategische Fehlentscheidungen der Vergangenheit zurückgehen, lassen sich derzeit mit nur zwei Buchstaben als fortschrittlich verkaufen. […]
Die Auswirkungen von KI-Technologien auf die meisten Branchen werden in der Tat immens sein. Aufgaben ändern sich und viele werden wegfallen. Die konkreten Effekte sind oftmals aber noch längst nicht so klar abzusehen, wie es Konzernlenker wie Jansen glauben machen wollen. Indem sie einen Stellenabbau mit KI entschuldigen, verstärken Vorstandschefs die oft irrationalen Technologieängste in der Bevölkerung.
Fatal ist, dass der Kapitalmarkt solch ein Verhalten auch noch mit Kurssteigerungen belohnt. […]
Im Buzzword-Schweinezyklus geht die Verklärung der KI-Technologie ihrem Höhepunkt entgegen. In ihrer Größenordnung übertrifft die rhetorische KI-Blase in vielen Unternehmen bereits jüngere Exzesse um die Verworthülsung von Metaversum, Augmented Reality und Kryptowährungen.
In der Tiefe ist in vielen Firmen in Sachen KI bislang wenig passiert. Das ist die zweite Gefahr, die mit dem kommunikativen Missbrauch von Technologierevolutionen einhergeht. Besonders Konzerne neigen dann dazu, externe Innovationsschocks einfach durchzuleiten, anstatt sie zu verarbeiten.
Das ist auch beim KI-Effekt so: Unternehmensberatungen werden beauftragt, Sonderbeauftragte ernannt, Strategiepapiere geschrieben und am Ende selbst das Reinigungsteam um Input für die Taskforce gebeten.
Philipp Alvares de Souza Soares, Felix Holtermann, handelsblatt.com, 27.06.2023 (online)