Satire muss weh tun, doch stattdessen wird sie im Kino immer mehr zum Wohlfühl-Genre. Eine Schande, findet unser Autor. …
Folgt man einer Aussage des polnischen Schriftsteller Stanislaw Jerzy Lec, müsste Satire, welche Widersprüche der Gegenwart durch Spott, Übertreibung und Zuspitzung aufdeckt, die Kunst der Gegenwart sein: „Wenn es nichts zu lachen gibt, kommen Satiriker auf die Welt.“ Oder eben ins Kino. […]
Gelungene Satire erkennt man nicht am Lachen der Zielgruppe, sondern am Zorn des Gegners. Satire, die es mit der Kritik an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, rechts wie links, ernst meint, braucht ein Moment der Irritation, einen Ton jenseits der Gefälligkeit. Darin unterscheidet sich die Satire vom Humor, der das, worüber er sich lustig macht, immer auch ein Stück weit liebt. Die Satire aber ätzt, sie ist bösartig. Für den ungarischen Philosophen Georg Lukács lebt sie von, „der Empörung, der Verachtung, einem Hass der aus Leidenschaft, Tiefe und Einsicht hellsichtig wird und hellsichtig in den geringsten Symptomen, in bloßen Möglichkeiten und Zufälligkeiten eines Gesellschaftssystems seine Krankheit, seine Todeswürdigkeit erblickt und gestaltet“. Es darf also nicht bei wohligen Lachern bleiben. […]
An ihrer realpolitischen Wirkung muss sich Satire sicherlich nicht messen lassen. Wohl aber am Sichtbarmachen einer notwendigen Veränderung. Satire, die nur aufheitert, tröstet, bestärkt, verkehrt ihre Funktion ins Gegenteil. Sie betäubt ihr Publikum, anstatt es zu ermächtigen, und zementiert damit die bestehenden Verhältnisse, die zu kritisieren eigentlich ihre Aufgabe ist.
Sebastian Seidler, berliner-zeitung.de, 18.10.2022 (online)