Wenn man davon ausgeht, dass jede Interaktion im Netz das logische Fortschreiben einer Offline-Handlung ist, lohnt es sich darüber zu grübeln, was eigentlich das analoge Äquivalent zu so einer Stummschaltung auf Social-Media-Plattformen darstellt. Sicherlich nicht die öffentliche Konfrontation, der gesellschaftliche Affront. Denn die Blockade wird ja nicht nach außen kommuniziert. Man kann also jemanden doof finden, gerne auch über Jahre hinweg, ohne dass der andere das überhaupt merkt.
Der Block umfasst also mehr. Führt das nicht unter Umständen auch dazu, dass man es sich zu leicht machen könnte? Sämtliche unliebsame Meinungen ausblendet, selbst das „Ja, aber“ eines zivilisierten Gesprächspartners als womöglich blockierenswerte Einlassung auffasst? Längst unterhalten die jeweiligen Weltanschauungslager eigene ellenlange Listen, durch deren Nutzung man präemptiv die Anhänger der Gegenseite aus seinen Social-Media-Feeds entfernen kann. Wer sich auf diesen Listen, die oft Zehntausende Nutzerkonten umfassen, wiederfindet, ist dabei nicht mehr nachzuvollziehen.
Die Funktion sei eine „unperfekte Lösung für ein allgegenwärtiges Problem“, schreibt deshalb auch schrieb Jillian York, die Direktorin der Digital-Bürgerbewegung Electronic Frontier Foundation. Sie frage sich, „ob unser großzügiger Gebrauch des Blockierknopfes uns daran hindert, die Art von Versöhnung zu erleben, die in unseren Offline-Gemeinschaften stattfinden kann“.
Michael Moorstedt, sueddeutsche.de, 19.2.2023 (online)