Wir haben durch Privatisierungs- und Kommerzialisierungsdruck, weil in unserer Medienlandschaft hier in Deutschland eine Dynamik von einer Jagd nach tagtäglich höheren und schnelleren Aufmerksamkeitserscheinungen alle und alles erschlägt, diesen Medien inzwischen der Atem ausgegangen ist, sozusagen reflektiv zu arbeiten, schon gar nicht geschichtlich, schon gar nicht rückblickend, um irgendwelche Dinge in einen Kontext zu bringen. Das schafft unsere Medienlandschaft nicht mehr.
Sie schafft es auch noch aus einem anderen Grund nicht mehr. Auch der hat was mit Kommerzialisierung zu tun: Die Personalkosten in den verschiedenen Medienhäusern sind inzwischen so gewaltig und verschiedene Reichweiten verschiedener Medien – insbesondere bei der Presse – nehmen derartig ab, dass eine Konsequenz daraus ist, dass unterschiedliche Medien die gleichen Artikel einkaufen bei ein und derselben Nachrichtenagentur oder auch bei ein und derselben PR-Agentur. Man muss Geld sparen.
Es läuft darauf hinaus, dass die Vielfalt, die konträre Vielfalt unterschiedlicher Medieninhalte drastisch schwindet. Das kommt zusammen mit dem „Tunnelblick“, den es bei Kriegsbeginn sowieso immer gibt. Es sind also zwei unterschiedliche Mechanismen, der Marktdruck und der „Tunnelblick“ bei Kriegsberichterstattung, die hier unheilvoll zusammenfallen und jegliche Vielfalt ausschalten.
Jörg Becker, Telepolis, 26.6.2022 (online)
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