Insofern ist es das Gebot der Stunde für Historiker:innen und Medienmachende, die fehlenden Fakten in der Betrachtung zu ergänzen, die Lücken auszuleuchten – das wäre die genuine Aufgabe unserer Medien als vierter Gewalt. Nur, welche Fakten sollen das sein? Die Auswahl ist groß.
Schließlich gibt es Historiker wie Herfried Münkler, die den Konflikt um die Ukraine auf revisionistische Kräfte mindestens seit den Verträgen nach dem Ersten Weltkrieg zurückführen, oder andere, die die Entwicklung in Osteuropa seit der Orangenen Revolution 2004 einbeziehen wollen. Manche wollen sich nur auf die letzten zehn Jahre seit der Ablehnung des Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der EU beschränken, dem folgenden Euro-Maidan mit dem umstrittenen Regierungswechsel 2014 und den damals beginnenden Kämpfen im Osten in der Ukraine. Wiederum andere – nicht zuletzt in den USA – sehen einen globaleren Zusammenhang, der geopolitische Überlegungen von Eurasien über Afghanistan bis in den Indo-Pazifik einschließt.
Wie also auswählen aus dem riesigen Fundus an Fakten, die hier alle eine Rolle spielen könnten? Was genau ist relevant, um welchen Zusammenhang zu verstehen? Und wovon lenken die ausgewählten Fakten jeweils ab, um die Relevanz noch anderer Aspekte erkennen zu können?
Sabine Schiffer, fr.de, 10.05.2023 (online)