Mittlerweile gibt es Diversitätsbeauftragte in Unternehmen, es ist hip und gut und durchaus zu begrüßen. Nur sind damit zuvorderst gemeint: Frauen und Menschen mit verschiedenen ethnischen Hintergründen, auch Sexualität wird abgedeckt. Aber Behinderung? Fehlanzeige. Und wenn, dann unter ferner liefen. …. Medien zum Beispiel erkennen langsam, wie ihre Berichterstattung über Jahrzehnte hinweg dadurch geprägt war, dass diese von alten weißen Männern kam und kommt. Und da ändert sich etwas. Man stellt sich besser auf. Aber eine Eigenschaft der alten weißen Männer fällt gemeinhin unter den Tisch: dass sie keine Behinderung haben. …. Worin liegt dieses strukturelle Ungleichgewicht begründet? Ich glaube, wir haben es erlernt. Menschen ohne Behinderung haben oft doch eine Behinderung, und zwar in die Richtung, dass sie sich meist nicht vorstellen können, was ein Mensch mit Behinderung so alles kann. Das herrschende Narrativ bespielt im Einbahnstraßenmodus stets: Was behinderte Menschen alles nicht können. … Nicht nur „Barrierefreiheit“ erfährt als Begriff einen Bedeutungswandel. Erinnern wir uns noch an das Wort „Integration“? Früher gab es „Integrationspädagog*innen“, und integriert werden sollten ausschließlich Menschen mit Behinderung. Dann erweiterte sich der Begriff auf nach Deutschland eingewanderte Menschen und ihre Kinder sowie Kindeskinder – und schließlich wurde er nur noch auf sie angewandt. Für uns Menschen mit Behinderung gab es dann den Begriff der „Inklusion“.
Raul Krauthausen, journalist.de, 26.11.2020 (online)