Die Menschen, die seit Jahren WDR 3 oder RBB Kultur gehört haben, fühlen sich von der Neuausrichtung der Musikauswahl und des Sprechens über Literatur, Kunst und Musik in ihrer Intelligenz beleidigt, von einer autoritären Infantilität gemobbt und von einer demonstrativen Geringschätzung für traditionelle Bildungsinhalte auch als Hörer verachtet. Dass es so nicht weitergehen kann mit einem medialen Umsturz, der Bildungsbürger und Hochkultur als konterrevolutionäre Elemente in den eigenen Sendeanstalten kaltzustellen versucht, spricht sich als Imperativ der Stunde herum. …. Dass eine Hörerstudie dazu dienen soll, mit Hilfe einer veränderten Musikauswahl die Reichweite von WDR 3 zu erhöhen, statt dass die Führungskräfte des Senders sich über die dreihunderttausend Hörer bei der Sendung „Klassik Forum“ im Vormittag freuen, „einem schwierigen Programm, wo Dinge laufen, die man sonst nirgendwo in Deutschland hört“, das will Kermani nicht in den Kopf. … Den Reichtum der Rundfunkorchester und der Kulturprogramme mache, so Kermani, doch gerade die Übung aus, nicht nur das Erwartbare, das Gefällige zu bieten, sondern etwas Neues, Musik, die nicht auf Anhieb verstehbar sei; denn „das, was wir sofort begreifen, das haben wir sofort vergessen“. Die Unterwerfung der Programmgestaltung unter den Druck von Reichweite und Quote hingegen bewerte die Frage, dass jemand einschalte, höher als die, wie er denn zuhöre.
Jan Brachmann, faz.net, 26.03.2021 (online)