Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der Rechner war ursprünglich eine Rechnerin. Frauen prägten die Computer- und Internetgeschichte maßgeblich.
Das Internet reichte schon um die Welt, damals, im Epochenjahr 1991. Ein neues, bunteres Medium namens „World Wide Web“ wurde gerade geboren, für jede und jeden per Mausklick benutzbar. Doch das passierte versteckt hinter den Bürotüren eines europäischen Kernforschungszentrums im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Frankreich. Dort hackten hemdsärmelige Physiker endlose Programmzeilen in die Tastaturen ihrer Workstations. „Where the Web was born“ liest man heute auf einer Bronzeplakette vor einer dieser Türen.
Auf der anderen Seite des Globus, mitten im gleißenden Sommer Südaustraliens, schrieben damals vier Frauen auf ihre Weise Netzgeschichte. Die Medienkünstlerinnen Josephine Starrs, Julianne Pierce, Francesca da Rimini und Virginia Barratt waren auch als Kollektiv VNS Matrix bekannt. Während eines Workshops in Adelaide entwarfen sie Anfang 1991 ein freches, selbstbewusstes Pamphlet mit der Überschrift: „A cyberfeminist Manifesto for the 21st Century“ – „Ein cyberfeministisches Manifest für das 21. Jahrhundert“. […]
Eigentlich haben Frauen sogar das schlauere Web erfunden. Genauer gesagt das Konzept eines Wissensnetzwerkes, das sich um sich selbst kümmert und sein feines Gewebe aus Verweisungen selbst repariert, anstatt die Benutzer in die Irre zu führen. Denn im realen Datendschungel vergisst ständig irgendjemand, einen Link zu korrigieren, wenn das Dokument am anderen Ende an einen anderen Ort bewegt oder gelöscht wurde.
Ansgar Warner, berliner-zeitung.de, 08.09.2024 (online)