Die Floskel von der „Kultfigur des linken Widerstands“ ist natürlich Unsinn. In Wirklichkeit waren Rio Reisers Leben und seine Kunst viel zu romantisch und radikal für solche „Kultfigur“-Phrasen. […]
Wirklich radikal waren nicht diese Hau-drauf-Parolen und Revolutionsgesänge, sondern die Autonomie, mit der Rio Reiser und die Musiker der Scherben Leben und Kunst kurzgeschlossen haben, um die Welt oder wenigstens Kreuzberg und das eigene Leben etwas bunter zu machen. […]
Für heutige Subventionskünstler, die in aller Selbstverständlichkeit erwarten, dass ihr vergleichsweise harmloser „Artivismus“, also Kunst plus Aktivismus, mit Projektanträgen und Festanstellungen staatlich alimentiert wird, hätten Rio Reiser und die Scherben vermutlich nur Spott und Hohn übriggehabt. Vom Staat erwarteten sie höchstens morgendliche Hausdurchsuchungen, aber sicher keine Künstlerförderung.
Peter Laudenbach, sueddeutsche.de, 08.01.2025 (online)