Zitiert: Wie tief die Krise der Medien heute ist

An der Berichterstattung über das Miniboot Marke Eigenbau namens Titan befremdete die Inszenierung einer kontinuierlichen Rettungsberichterstattung samt des obszönen Countdowns des verbleibenden Sauerstoffvorrats. Tagelang wurde die Öffentlichkeit damit in Atem gehalten, dabei war das Boot schon längst zerstört. Und wie sich nun herausstellt, wusste eine ganze Reihe von Diensten und Experten nicht allein um diese Möglichkeit, sondern hielt es für sehr wahrscheinlich, dass es vorbei war für die Titan und ihre Insassen. In den Medien aber ging es weiter, bis der Gegenbeweis erbracht war, vielleicht einer Form modernen Aberglaubens folgend: als würde es den armen Insassen vielleicht Unglück bringen, wenn man über ihren Untergang spekuliert. […]

Nie waren Medien, im großen wie in kleinem Format, so mächtig, so allgegenwärtig. Und nie fiel es derart auf, wenn sie nichts zu erzählen haben. Weil sie, um die großen Einsätze, um die es im Digitalkapitalismus geht, zu sichern und in der Konkurrenz zu bestehen, sich vor allem danach richten, was die anderen Medien in dieser Sekunde gerade so machen: Nur nicht hintendran wirken, nichts von den maßgeblichen Zahlen verlieren, auch nicht für kurze Zeit und nichts riskieren!

Das große Medienzeitalter ist auf diese Art und Weise sehr, sehr spießig geworden. Es bedrückt durch ein schmales Angebot, mit dem man vermeintlich auf Nummer sicher geht und durch einen Mangel an jenen Qualitäten, die am Beginn der Geschichte des Journalismus standen: Neugier, Fantasie und Risikobereitschaft.

Nils Minkmar, sueddeutsche.de, 27.06.2023 (online)

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)