Dieser Abend war ein Paradebeispiel für die Zerstörungslust der ARD: Der laufende Rostocker „Polizeiruf“, sicher einer der besten des Jahres, wird kurz vor Schluss (die Screenshots dokumentieren es) durch eine Dramatik fingierende Eilmeldung zerstört, just auf dem Höhepunkt der Spannung; der Zuschauer denkt wegen der Amalgamierung mit der Fiktion sofort an Terror oder Katastrophe, dann jedoch entpuppt sich die Eilmeldung als Hinweis auf eine Wahlsondersendung, eine simple Extra-Ausgabe der „Tagesthemen“. Das Beispiel zeigt, dass die ARD weder an die Empathie bildende Kraft von Erzählung glaubt noch an die integrative Kraft der Politik.
Das Empörende daran ist der Verlust eines medienethisches Kompasses: In diesem Detail manifestiert sich die Gleichgültigkeit gegenüber dem Individuum, das im Kriminalfilm heraufbeschworen wird, dessen Würde der Film verteidigt. …. Die Eilmeldung ist ein Parasit, weil sie kein berechtigtes, blitzschnell mitzuteilendes Informationsbedürfnis ankündigt, sondern weil sie nur Zuschauerbindung betreiben will, weil sie fesseln will. Das heißt, die Eilmeldung wird selbst zum integralen fiktiven Bestandteil der Fiktion, zerstört diese und lässt auch die Politik erodieren, denn man traut es der Wahlsondersendung offenbar nicht zu, aus eigenem Recht zu interessieren. …. Wo es mithin nur noch darum geht, das Programm zu behaupten, es durchzusetzen, es fließen zu lassen, um den Zuschauer in ein gesichtsloses und absorbiertes Zuschauerpromillchen zu verwandeln, da muss sich die ARD fragen, ob sie nicht längst ihre Kreditlinie überzogen hat.
Torsten Körner, Medienkorrespondenz, 15.03.2021 (online)