Satire lebt ja von Zwischentönen, von Ambivalenzen, von Doppeldeutigkeiten, von dem Selbstdenkenkönnen, Dechiffrierenkönnen, manchmal auch von dem, was nicht gesagt wird. Wo etwas im Raum schwebt oder da ungelöst bleibt. Das alles geht doch verloren dabei, wenn ich nur noch auf den Faktencheck poche, der stimmen muss. Für mich ist dann die Arbeitsgrundlage weg. Es muss möglich sein, dass Dinge in der Schwebe bleiben. Wenn es diese Räume nicht mehr gibt, ist die Kunst tot. Wenn einer wie Polt, ein integrer, kluger Kabarettist, sich mittlerweile rechtfertigen muss, dann ist das absurd. […]
Wenn ich aber eine Kunstfigur, die eindeutig rechts oder rassistisch ist, so etwa sagen lasse, dann ist das etwas, was unter Kontext fällt. Das muss ich in der Kunst sagen können. Wenn ich Hitler auf der Bühne oder im Film nicht mehr den Hitlergruß machen lassen darf, wenn sich Hitler politisch korrekt ausdrückt, dann sind die Nazis eigentlich auch in Ordnung, gewesen, oder? Einmal hab ich das an einem Abend gemacht, die Nummer mit einem faschistischen Comedian, der das Wort sagt. An dem Punkt ist eine Frau aufgestanden und laut stampfend rausgegangen. Protest. Die Vorstellung war kaputt. Die Hälfte ging aus Solidarität, die andere blieb.
Christine Prayon, kontextwochenzeitung.de, 28.06.2023 (online)