14. MainzerMedienDisput Berlin

8.12.2009 „Klartext oder Weichzeichner – vom Sprachverlust und Orientierungsverzicht der Politik“

 

 

Zum Auftakt des Mediendisputs gab es zunächst einen Journalistenpreis. Dieser ging zur Abwechslung mal an eine Hörfunkredaktion. Der Reporterpool von NDR info wurde mit dem Leuchtturmpreis der Journalistenvereinigung netzwerk recherche e. V. ausgezeichnet. Ob Bundeswehrpistolen in Afghanistan, Datenklau bei AWD und Bluttest für Daimler-Bewerber – allein in den vergangenen Wochen soll der Reporterpool von NDR Info mit einer Vielzahl exklusiver Recherchen von sich Reden gemacht haben. Wer also immer noch der Ansicht ist, Radio sei kein Investigativ-Medium, irrt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Laudatio hielt Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo, Mitbegründer von netzwerk recherche, der übrigens auch mal beim Radio angefangen hat. Er räumte in Bezug auf die investigativen Storys des NDR-Reporterpools ein: „Als Chefredakteur eines Konkurrenten habe ich häufig gedacht, warum haben wir das eigentlich nicht?“ Interessante Fußnote: Der NDR-Reporterpool ist eine Art „Sondereinrichtung“, in der freie Journalisten pauschal nach Tagessätzen und nicht für die „Ablieferung“ eines fertigen Beitrages oder einer Reportage honoriert werden. So kann an manchen Storys einfach länger recherchiert werden und der Journalist erhält auch dafür sein Geld.

 

Laudatio von Georg Mascolo zum Nachhören: {accesstext mode=“level“ level=“author“} Um die Audio und Videodateien des Artikels abspielen zu können, müssen Sie sich anmelden. || >{mp3}MainzerMedienDisput_Teil1{/mp3}< {/accesstext}

 

Im zweiten Teil der Veranstaltung fand dann unter der Leitung von Moderator Thomas Leif der eigentliche Mediendisput statt. Die Fragestellung „Klartext oder Weichzeichner?“ wurde ja schon im zweiten Teil der Überschrift „vom Sprachverlust und Orientierungsverzicht der Politik“ selbst beantwortet. Das Fazit könnte man so zusammenfassen: Politiker reden selten Klartext, verwenden gern eine schönfärbende sinnentleerte Sprache und wollen sich ungern in Worten festlegen. Der Bürger findet im politischen Sprachbrei wenig Orientierung.


Es diskutierten: Dr. Tobias Korenke, Pulizist aus Berlin; Frank A. Meyer, Chefpublizist beim Ringier Verlag in Zürich; Prof. Dr. Uwe Pörksen, Sprachwissenschaftler an der Universität Tübingen; Christina Schildmann, SPD Parteivorstand;  Dr. Thomas Steg, Ex-Regierungssprecher (Stv.); Moderation: Prof. Dr. Thomas Leif, Moderator der Sendung 2+LEIF (SWR) und Vorsitzender netzwerk recherche e.V.

 

Auch wenn das Fazit vor der Diskussion bereits feststand, lohnte sich das Hinhören (schon allein wegen der immer wieder aufkommenden Komik). So stieg Thomas Leif in die Moderation gleich mit dem Wortungetüm „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ ein und wollte von Thomas Steg wissen, ob das auch unter seiner Ägide als ehemaligen stellvertretenden Regierungssprecher passiert wäre. Nunmehr seines Amtes entledigt plauderte Steg immer wieder unbekümmert aus dem Nähkästchen. Er könne sich sogar noch an Schlimmeres erinnern, zum Beispiel an das „Finanzmarktstabilisierungsfort-entwicklungsgesetz“ während der rot-grünen Koalition und noch viele andere „Synonyme des Grauens“. Auf die Frage, warum er da als Regierungssprecher nicht sprachlich interveniert habe, gab er zu verstehen, dass das Kind oft schon in den Brunnen gefallen sei, bevor Regierungssprecher überhaupt zu Wort kämen. Diese verkünden nämlich oft nur die „fertigen Ergebnisse“, die Beamte in den Ministerien schon in frühen Phasen der Gesetzgebung aus der Taufe gehoben hätten. Auch im weiteren Verlauf des Panels verriet Steg interessante Details über die politische Sprachgenese. Zum Abschluss einer trotz Überlänge interessanten und vor allem amüsanten Diskussion trumpfte die Rheinland-Pfälzische Landesvertretung noch mit einem sich selbst überbietenden Büffet landestypischer Köstlichkeiten auf. Der Abend hat sich gelohnt.


Die gesamte Diskussion zum Nachhören: {accesstext mode=“level“ level=“author“} Um die Audio und Videodateien des Artikels abspielen zu können, müssen Sie sich anmelden. || >{mp3}MainzerMedienDisput_Teil2{/mp3}< {/accesstext}

 

 

Wissenswert: *****
Unterhaltungswert: *****
Kontaktwert: **
Ambiente: ***


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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)