Waren das zwei Niederlagen in kurzer Zeit? Zum einen konnte sich Johannes Beermann nicht durchsetzen, dass die Länder der KEF bei der Beitragsempfehlung folgen. Statt um 73 Cent wurde der Beitrag um 48 Cent reduziert. Und gestern wies ihn das Bundesverfassungsgericht (Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts) in die Schranken.
Johannes Beermann: „Das Bundesverfassungsgericht hat auf der einen Seite Rechtsklarheit geschaffen und auf der anderen Seite mit klaren Vorgaben und gleichzeitig breitem Gestaltungsspielraum dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zu stärken. Dort, wo das Gericht zu viel Politik in den Gremien des ZDF bemängelt, hat es mit einem Drittel eine klare Vorgabe gemacht. Die Grundarchitektur von ZDF-Fernsehrat und ZDF-Verwaltungsrat hat das Gericht bestätigt.“ Nun, die Grundarchitektur hatte allerdings auch keiner in Frage gestellt.
Wo allerdings der Unterschied zwischen einem „staatsnahen Anteil“ von 44 und 33 Prozent liegen soll, erschließt sich mir nicht. „Doch wie auch immer das Bundesverfassungsgericht entscheidet – mehr als Kosmetik bedeutet das wahrscheinlich nicht, wenn ein paar Politiker, die im Fernsehrat als Vertreter der einen oder anderen gesellschaftlichen Gruppe oder eines Verbandes hocken, ausgetauscht werden. Wird der Staatsvertrag des ZDF allerdings in diesem Punkt für verfassungswidrig erklärt, stellt das der Medienpolitik der Bundesländer kein gutes Zeugnis aus“, hatte Michael Hanfeld schon vor der Urteilsverkündung festgestellt.
Wohl um davon abzulenken wird dieses Urteil von der Politik als Erfolg gefeiert. Hamburgs Regierender Bürgermeister Olaf Scholz sieht, „dass Rheinland-Pfalz und Hamburg die richtigen Fragen gestellt haben.“ Das Urteil eröffne „den Weg, die Legitimation eines staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks pragmatisch zu stärken.“ Für NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann bestätigt das Verfassungsgericht die Linie Nordrhein-Westfalens. Und Rheinland-Pfalz‘ Ministerpräsidentin Malu Dreyer sieht „in der aktuellen Entscheidung der Verfassungsrichter ein deutliches Signal für die Unabhängigkeit der Gremien des ZDF und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt.“
Für ZDF-Intendant Thomas Bellut stärkt das Urteil „die Unabhängigkeit des ZDF im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.“ Doch in einem Atemzug mit dem Intendanten lässt das ZDF auch zwei Politiker per Presseerklärung zu Wort kommen. Der ZDF-Fernsehratsvorsitzende Ruprecht Polenz darf von dieser Niederlage der CDU-regierten Bundesländer sowie vom Zustand beim ZDF ablenken und erklären: „Damit sollten die übergriffigen Versuche der Landesmedienanstalten, sich als Generalkontrolleure des Fernsehens in Deutschland zu positionieren, endgültig vom Tisch sein. Das sehr ausgewogene Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt den Ländern klare Hinweise nicht nur für die erforderlichen Nachbesserungen des ZDF-Staatsvertrages, sondern auch für die Überprüfung der jeweiligen Landesrundfunkgesetze, die die Arbeit der ARD-Anstalten regeln.“ Und Kurt Beck: „Das Urteil aus Karlsruhe stärkt die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Für die Zukunft wurden vor allem klare Maßstäbe zur Zusammensetzung der Aufsichtsgremien und ihrer Vielfalt gesetzt.“ Kein Wort fällt dazu, dass das ZDF seine Freiheit nicht selbst erkämpft hat.
Ganz anders sieht dies Christian Bommarius in der Berliner Zeitung. Für ihn ist das Urteil eine „Kapitulation des Gerichts vor der Politik“. Denn seit Jahrzehnten ergeht es dem Bundesverfassungsgericht bei seinen Versuchen, den Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzudämmen, wie dem Hasen mit dem Igel. Inzwischen hat das Gericht wohl kapituliert.“
Reporter ohne Grenzen forderte unterdessen die Bundesländer am Dienstag auf, das Urteil zum Anlass für eine umfassende Reform der Aufsichtsgremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nehmen. „Das Urteil macht deutlich, dass das Gebot der Staatsferne kein abstraktes Ideal ist, sondern konkreter Maßstab für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein muss“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.
Tabea Rößner sieht die Grünen mit dem Urteil ihrem „Ziel einen großen Schritt näher gekommen: Denn wir wollen keinen Schwarzfunk oder Rotfunk, und auch keinen Grünfunk, sondern einen vielfältigen Rundfunk und eine transparente Kontrolle. Die anstehende Reform der Gremien ist eine große Aufgabe und kann nur durch eine unabhängige Kommission gewährleistet sein, die nicht nur aus Politikern besteht.“
Doch zurück zum Urteil und seinen Folgen. Über 50 Jahre gibt es schon das ZDF. Nun stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Gremium nicht politikfern genug zusammengesetzt seit. Sicher, nun kann man den Staatsvertrag reformieren. Aber das ZDF hat sich ja über Jahrzehnte hinweg unter dieser Parteinähe entwickelt. Unter dieser Parteinähe wurden Strukturen geschaffen, Posten besetzt. Ist also nicht auch im ZDF eine Reform angesagt? Doch wie sollte diese dann aussehen? Ja, was wird sich im ZDF ändern, wenn im 77köpfigen Fernsehrat statt 34 Politikerinnen und Politiker nur noch 25 sitzen?