Nach einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung und „netzwerk recherche“ sinkt der Informationsanteil im Ersten. Festzustellen sei eine Boulevardisierung bei ARD und ZDF. In der Hauptsendezeit liefen Infotainment und Boulevardprogramm – dies sei ein Widerspruch zum öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag, so das Fazit der Studie von Fritz Wolf.
Dem widerspricht Volker Herres als Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen: Der Informationsanteil im Ersten sei mitnichten zurückgegangen, vielmehr blieb er in den letzten Jahren konstant. So lag der Informationsanteil 2010 bei 43 Prozent. Auch wenn der Streit schon einen Monat zurückliegt, soll er hier dokumentiert werden, da er charakteristisch für das Agieren einiger Spitzenvertreter der ARD ist.
„Auch im Hauptabendprogramm hat Das Erste seinen Informationsanteil nicht gekürzt, vielmehr wird dieser ab Herbst im Ersten noch gesteigert: Zu den zwei wöchentlichen Sendeplätzen für politische Magazine und dem wöchentlichen Wirtschaftsmagazin „plusminus“ (ab Herbst mit fünf Minuten mehr Sendezeit), beschäftigt sich „hart aber fair“, ab 5. September 2011, immer um 21.00 Uhr – also zur Primetime – mit überwiegend politischen Themen. Und mit der neuen Sendung von Günther Jauch, ab 11. September 2011, wird Das Erste eine zusätzliche Talksendung zu aktuellen, auch politischen Themen im Programm haben. Bei längeren filmischen Formaten gibt es ebenfalls keine Kürzungen im Mengengerüst: Es wird auch künftig wöchentlich zwei Dokumentationen geben. Die Schlagzahl des Dokumentarfilms (jährlich zwölf) bleibt unangetastet. Die These, die Fernsehnachrichten seien unpolitischer geworden, bleibt für die „Tagesschau“ eine Behauptung ohne Belege. Richtig ist: Die „Tagesschau“ ist die Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen, die am stärksten auf politische Inhalte setzt. Interessanterweise wird das in der Studie selbst sogar bestätigt …
Auch alle Monatsstudien des „infomonitor“ beweisen das: Weit mehr als 50 Prozent (je nach Themenlage zwischen 50 und 56 Prozent) aller Beiträge in der Hauptausgabe der „Tagesschau“ sind politischer Natur! Dieser Kritik am Ersten fehlt die inhaltliche Substanz. Den Ausführungen, die den Eindruck erwecken sollen, eine empirische Studie zu sein, mangelt es an den notwendigen Belegen für die aufgestellten Behauptungen.“
Doch offensichtlich weist Volker Herres zurück, was in der Studie gar nicht behauptet wurde, so die Otto-Brenner-Stiftung:
„1. In der Studie wird an keiner Stelle behauptet, dass der Informationsanteil im Ersten abgenommen hat. Vielmehr zitiert der Autor Fritz Wolf Ergebnisse der Programmforschung (und belegt das auch durch Tabellen), dass in den letzten Jahren die Nachrichtenanteile im Programm recht stabil geblieben sind. Untersuchungsgegenstand der OBS-Studie ist vielmehr die Frage, ob auch überall Information drin ist, wo Information drauf steht. In diesem Zusammenhang zitiert er auch wieder öffentlich-rechtliche Programmforscher, die herausgefunden haben, dass ein wachsender Anteil an Information eigentlich Infotainment ist – vor allem bei den Privaten, aber eben nicht nur bei den Privaten.
2. Die Aussage, dass TV-Nachrichten insgesamt in den letzten Jahren unpolitischer geworden sind, stammt von dem Medienforscher Georg Ruhrmann und wird in der OBS-Studie zitiert. Dazu gehört die Beobachtung, dass auch in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten häufig Personalisierung an die Stelle der Darstellung und Analyse von Strukturen getreten ist.
3. Die Beobachtung, dass in den öffentlich-rechtlichen Sendern im Jahre 2010 Katastrophenthemen mehr und Wirtschaftsthemen weniger geworden sind, ist kein originäres Ergebnis der Wolf-Untersuchung, sondern eine Erkenntnis des Programmforschers Udo Michael Krüger. Der OBS-Autor hat selbst überhaupt keine eigene Programmbeobachtung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern angestellt, sondern auftragsgemäß die öffentlich zugänglichen Ergebnisse der Programmforschung ausgewertet und zudem einige der Forscher zusätzlich befragt.
4. Die Aussage, dass die Primetime ab 20.15 Uhr insgesamt, also bei allen Sendern, nach den Nachmittagszeiten die informationsärmste Sendestrecke ist, lässt sich gleichfalls aus den Analysen des Instituts für empirische Medienforschung ablesen. Das IFEM analysiert die Programmstrukturen der fünf großen Sender.
5. An keiner Stelle der Studie findet sich die Behauptung, dass es im Ersten weniger Dokumentationen und Dokumentarfilme gebe. Vielmehr moniert der Autor, dass Dokumentarfilme und zahlreiche wichtige Dokumentationen oft erst sehr spät, meist nach Mitternacht gesendet werden, Dokumentarfilme auch gern im Sommer. Dann stimmt zwar das „Mengengerüst“, aber die Sendezeit nicht.“
Hat Volker Herres nur auf die Medienberichterstattung reagiert, ohne die Studie zu lesen? Ist dies öffentlich-rechtlicher Standard?