In diesem Zusammenhang möchte ich zum Schluss noch auf ein Argument eingehen, das in der rundfunkpolitischen und rundfunkrechtlichen Auseinandersetzung oft fällt: Eigentlich sei der marktgesteuerte private Rundfunk viel demokratischer als der öffentlich-rechtliche, und zwar deswegen, weil das Publikum genau das Programm bekomme, was es durch seine Einschaltentscheidungen wolle. Der mündige Bürger brauche keine Bevormundung durch öffentlich-rechtliche Anstalten.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei eine Form des Paternalismus. Mündigkeit ist indes eine höchst voraussetzungsvolle Eigenschaft. Die Mündigkeit des Bürgers muss einerseits immer unterstellt werden. Andererseits muss sie aber auch ständig gestützt werden. Sie tritt nicht einfach mit dem 18. Lebensjahr ein und bleibt dann bis zum Lebensende erhalten. Sie will gepflegt sein, und dabei kommt den Medien eine wichtige Rolle zu.
Mündigkeit hängt vor allem davon ab, dass man Wahlmöglichkeiten hat und sie kennt. Pluralität des immer Gleichen erlaubt keine wirkliche Wahl. Für massenattraktive Unterhaltungssendungen muss man nicht eigens Vorsorge treffen. Ohne Vorsorge würde es aber an solchen Alternativen fehlen, die das Publikum nicht nur ablenken und zerstreuen, sondern es ins Bild setzen über die Befindlichkeiten und Probleme der Gesellschaft, es konfrontieren mit Alternativen und dadurch überhaupt erst zur eigenen Meinungsbildung befähigen. Mit Paternalismus hat das nichts zu tun. Paternalismus läge vor, wenn dem Nutzer vorgeschrieben würde, was er zu hören oder zu sehen hat. Davon ist aber keine Rede.
Gesteuert wird vielmehr nur das Angebot, und zwar im Sinne größeren Reichtums. Das ist Dienst an der Mündigkeit, nicht Paternalismus.
Epdmedien, 28/2011, S. 40