Dokumentiert: Dieter Grimm zur Mündigkeit des Zuschauers

 

 

In diesem Zusammenhang möchte ich zum Schluss noch auf ein Argument eingehen, das in der rundfunkpolitischen und rundfunkrechtlichen Auseinandersetzung oft fällt: Eigentlich sei der marktgesteuerte private Rundfunk viel demokratischer als der öffentlich-rechtliche, und zwar deswegen, weil das Publikum genau das Programm bekomme, was es durch seine Einschaltentscheidungen wolle. Der mündige Bürger brauche keine Bevormundung durch öffentlich-rechtliche Anstalten.

 

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei eine Form des Paternalismus. Mündigkeit ist indes eine höchst voraussetzungsvolle Eigenschaft. Die Mündigkeit des Bürgers muss einerseits immer unterstellt werden. Andererseits muss sie aber auch ständig gestützt werden. Sie tritt nicht einfach mit dem 18. Lebensjahr ein und bleibt dann bis zum Lebensende erhalten. Sie will gepflegt sein, und dabei kommt den Medien eine wichtige Rolle zu.

Mündigkeit hängt vor allem davon ab, dass man Wahlmöglichkeiten hat und sie kennt. Pluralität des immer Gleichen erlaubt keine wirkliche Wahl. Für massenattraktive Unterhaltungssendungen muss man nicht eigens Vorsorge treffen. Ohne Vorsorge würde es aber an solchen Alternativen fehlen, die das Publikum nicht nur ablenken und zerstreuen, sondern es ins Bild setzen über die Befindlichkeiten und Probleme der Gesellschaft, es konfrontieren mit Alternativen und dadurch überhaupt erst zur eigenen Meinungsbildung befähigen. Mit Paternalismus hat das nichts zu tun. Paternalismus läge vor, wenn dem Nutzer vorgeschrieben würde, was er zu hören oder zu sehen hat. Davon ist aber keine Rede.


Gesteuert wird vielmehr nur das Angebot, und zwar im Sinne größeren Reichtums. Das ist Dienst an der Mündigkeit, nicht Paternalismus.

 

Epdmedien, 28/2011, S. 40

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)