Dies stellen Jürgen Bremer und Frank Überall in einem Meinungsbeitrag für die Funkkorrespondenz (36/2013, S. 6 f.) fest und schreiben:
„Die Hauptverhandlung in einem deutschen Gericht als direkte Übertragung im Fernsehen oder im Radio? Früher war das in der Bundesrepublik möglich, zum Beispiel bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen. 1964 war mit der in dieser Frage liberalen Haltung der Justiz dann Schluss: Nach einer langen Debatte wurde in das Gerichtsverfassungsgesetz eine Bestimmung aufgenommen, der zufolge Ton- und Fernsehaufnahmen „zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig“ sind (§ 169 Abs. 2). 2014 jährt sich die Einführung dieser Vorschrift zum 50. Mal. Der Geburtstag könnte ein guter Anlass sein, diesen rechtspolitischen Altbau zu überprüfen und die Vorschriften dort, wo es sinnvoll ist, zu modernisieren und sie dem Medienzeitalter anzupassen. ….
Es müssen aber nicht gleich die großen Grundsatzfragen rund um das Grundgesetz sein, die öffentliches Interesse in einer Demokratie auslösen: Auch über andere Verfahren sollte man in einer medial modernen Art und Weise berichten dürfen – mit Ton und Bild im Original. Wenn sich etwa vor Verwaltungsgerichten Bürgerinnen und Bürger mit dem Staat streiten, wenn Gebührenerhebungen auf dem Prüfstand stehen oder Aufsehen erregende staatliche Baugenehmigungen in Frage gestellt werden. Spannend ist es auch, wenn Personen des öffentlichen Lebens sich in Zivilprozessen beharken oder wenn dort allgemeine Grundsatzfragen beispielsweise des Mietrechts erörtert werden.
Überfällig ist es auch, die „Saalöffentlichkeit“ bei Bedarf auf einen weiteren Saal im gleichen Gerichtsgebäude ausdehnen zu können. Ohnehin hat sich die Nutzung elektronischer Hilfsmittel in der Rechtsprechung längst weiterentwickelt. Videokonferenzen zum Beispiel zur Befragung wichtiger Zeugen sind zwar noch nicht die Regel, aber eben auch kein „No go“ mehr. Da leuchtet es kaum ein, dass die hilfsweise Direktübertragung von Bild und Ton in einen zusätzlichen Saal, der wie der Verhandlungsraum entsprechend gesichert ist, auf große Widerstände trifft.
Es ist an der Zeit, eine umfassende Überarbeitung von Paragraph 169 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes in Angriff zu nehmen. Das strikte Verbot des Einsatzes von Audio- und Videoaufnahmetechnik in Gerichtssälen sollte aufgegeben werden. Stattdessen sind flexible Regelungen zu treffen, die es erlauben, im Einzelfall über die Zulässigkeit von Live-Übertragungen und Mitschnitten zu entscheiden. Das ist nicht zuletzt ein Beitrag zur Herstellung einer demokratischen Öffentlichkeit. Insofern hat der Gesetzgeber die Aufgabe und die Pflicht, Sinn und Zweck der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren mit Blick auf die unterschiedlichen Medien neu zu bewerten.“