Faktencheck: Diskussion zum Rundfunkbeitrag

 

In den Zeitungen und Zeitschriften wird derzeit viel über den neuen Rundfunkbeitrag berichtet. Nicht immer stimmen die Fakten und treffen die Argumente.

 

 

Laut „Spiegel“ lehnen 60 Prozent den neuen Rundfunkbeitrag ab, laut ARD sind 75 Prozent dafür. Wie kann das sein? Der „Spiegel“ hatte fragen lassen, ob man es für richtig hält, dass auch Haushalte ohne Rundfunkgerät den Beitrag entrichten müssen. Die ARD wollte wissen, ob die Befragten „die Veränderung des neuen Modells“ befürworten. Wenn sich für die Mehrheit – die ARD spricht von 90 Prozent – nichts verändert und der Beitrag erstmals seit mehr als 40 Jahren mit einer neuen Gebührenperiode nicht mehr steigt – warum sollen sie dann dagegen sein?

 

 

Es heißt, mit 17,98 Euro im Monat seien die Deutschen „Gebührenweltmeister“.  Die Briten lägen bei 14,66 Euro, die Franzosen bei 10,41 Euro und die Italiener gar bei 9,08 Euro. Doch die Schweden müssen 20,06 Euro zahlen, die Österreicher durchschnittlich 23,20 Euro, die Dänen 26,96 Euro,  die Norweger 30,39 Euro und die Schweizer liegen mit 31,69 Euro an der Spitze.“Deutschland käme also selbst bei einer Europameisterschaft der Gebührenzahler nicht aufs Treppchen„, schreibt Stefan Niggemeier auf bildblog.de.

 

Allerdings stimmt es, dass in Deutschland mit derzeit ca. 7,53 Mrd. Euro (2011) das Gebührenaufkommen weltweit das höchste ist. Es stimmt allerdings nicht, wie von den Sendern des Öfteren behauptet, dass die Gebühreneinnahmen einbrechen. Eine Gebührenflucht war in den letzten Jahren nicht zu erkennen. Die Einnahmen sind seit 2009 mit 7,6 Mrd. Euro nicht signifikant gesunken. Im Jahre 2008, vor der letzten Gebührenerhöhung um 95 Cent, lagen sie bei 7,296 Mrd. Euro. Derzeit liegen die Einnahmen zudem bei weitem höher als im Jahre 2008 angenommen. Diese zusätzlichen Einnahmen werden mit dem von der KEF „anerkannten“ Bedarf verrechnet. Und das führte dazu, dass die KEF zuletzt eine Gebührenerhöhung von 18,3 Cent errechnet hatte. Für den Zeitraum 2009 bis 2012 waren es 95 Cent.

 

Die KEF hatte somit eine Finanzlücke von 304 Mio. Euro für die Jahre 2013 bis 2016 festgestellt. (Manche Journalisten lasen dies als Mehreinnahmen, die sie zudem auf ein Jahr bezogen und dann für 4 Jahre auf bis zu 1,6 Mrd. Euro hochrechneten.)  Es „fehlen“ also 75 Mio. Euro im Jahr, mithin 1 Prozent der bisherigen Gesamteinnahmen aus der Gebühr. Erst wenn die jährlichen Einnahmen über diese 75 Mio. Euro hinaus steigen, werden diese, so wie bisher auch, auf die nächste Periode angerechnet. Doch was das neue Modell an Einnahmen bringt, wird man frühestens  im Frühjahr 2014 sehen. Allerdings verwundert es in diesem Zusammenhang schon, wenn einzelne Sender nun schon Prognosen bis 2020 erstellen können und daraus Sparprogramme ableiten und durchsetzen, während sie andererseits immer wieder gleichzeitig  sagen, dass die zu erwartenden Einnahmen unklar sind.

 

Sicher kann darauf verwiesen werden, dass die Sender zu viel für Sport ausgeben. Die KEF hatte in ihrem 16. Bericht für das Jahr 2010 festgestellt, dass der Sport im ERSTEN mit 450 Mio. Euro (ca. 27% der Kosten des Programms), im ZWEITEN mit 350 Mio. Euro (22% der Kosten des Programms) und in den DRITTEN mit 100 Mio. Euro zu Buche schlägt und dabei zwischen 6 und 8% der Sendezeit ausmachte. Zudem fließt ein großer Teil der Mittel in wenige Sportarten, wie Fußball, Boxen und Biathlon. Dies alles liegt in der Programmhoheit der Sender. Wer hier die Sender beschränken will, der kann dies nur gesetzlich tun.

 

Es hört sich auch erst einmal viel an, wenn dargestellt wird, dass ARD und ZDF 265,5 Millionen Euro für ihre sechs Digitalkanäle in vier Jahren ausgeben und damit nicht einmal 2 Prozent Marktanteil erreichen. Doch allein das ERSTE und ZWEITE kosten mehr als 3,3 Mrd. Euro – im Jahr, also fast das 50fache. Allerdings liegt ihr gemeinsamer Marktanteil nur beim 12fachen. Ist da das Geld in die „kleinen“ Kanäle nicht effektiv investiert? Zumal klar ist, dass man mit einem Programm nicht alle erreichen kann, weshalb auch die Privatsender ihre Programmfamilien vergrößern.

 

Die Sender verweisen darauf, dass der neue Beitrag durch ein von ihnen bezahltes Gutachten des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof verfassungsrechtlich abgesichert ist. Doch dieser hatte u.a. gefordert, den Beitrag für die Zweitwohnung abzuschaffen sowie eine Befreiungsmöglichkeit zuzulassen, wenn man nachweisbar Rundfunkangebote nicht empfangen kann. Beides wurde, wie ich in einem Gutachten für parlamentarische Anhörungen (Siehe S. 5) ausgeführt habe, jedoch nicht umgesetzt.

 

Über Jahre hinweg war ein Teil der Menschen mit Behinderungen befreit. Nunmehr sollen diese ein Drittel der Gebühr bezahlen. Dabei bezieht man sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2000. Doch warum lässt man sich dann 12 Jahre Zeit, dieses umzusetzen? Zudem hieß es im Jahre 2004 sogar, es gebe eine „generelle Berechtigung“ an dieser Gebührenbefreiung festzuhalten? Die Sender verwiesen darauf, dass sie mit den zusätzlichen Einnahmen die Untertitelung im Fernsehen ausbauen. Doch nicht jeder bisher aufgrund einer Behinderung Befreite braucht auch Untertitel oder Gebärdendolmetscher. Zudem sind die Sender nach Artikel 3 Grundgesetz schon lange in der Pflicht, ihre Angebote barrierefrei zu halten.

 

Leider leistet auch die frühere ARD-Vorsitzende Monika Piel dem Argument Vorschub, der Rundfunkbeitrag sei eine Steuer, indem sie darauf hinweist, dass jeder Mensch auch für die Oper oder ein Museum bezahlt, „auch wenn er nie einen Fuß hineinsetzen wird“. Werden diese Einrichtungen nicht mit aus Steuern finanziert?

 

Doch ist der neue Rundfunkbeitrag gar eine „Zwangssteuer“? Kann man überhaupt zwischen „Zwangssteuern“ und Steuern unterscheiden? Der frühere Verfassungsrichter Dieter Grimm weist darauf hin, dass Steuern nicht zweckgebunden erhoben werden. Der Rundfunkbeitrag werde jedoch für einen konkreten Zweck erhoben. Er dient dazu, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie die Landesmedienanstalten, die die privaten Sender beaufsichtigen, zu finanzieren.

 

Auch wurde die Rundfunkgebühr bisher nicht erst fällig, wenn man Angebote von ARD und ZDF nutzte. Allein das „Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes“ reichte schon für die Gebührenpflicht aus. Allerdings musste man nichts zahlen, wenn man kein Empfangsgerät hatte.

 

Sicher, mittlerweile kann man überall und mit vielen Geräten ARD und ZDF empfangen. Doch folgt daraus logisch eine Beitragspflicht für alle? Bisher nutzt nur eine kleine Minderheit die Programme online bzw. im Abruf. Diese Form dieser Nutzung ist in den letzten Jahren nicht exorbitant gestiegen. Zudem stockt im Netz die Übertragung von Filmen immer wieder. Eine Versorgungsicherheit in hoher Qualität ist nicht gegeben. Ja, wenn alle über das Internet den Tatort sehen würden, bräche das „deutsche“ Internet zusammen.

 

Wer sich zudem bisher bewusst gegen das Fernsehen entschieden hatte, musste weniger bezahlen. Immer mal wieder wird behauptet, dass die Radioangebote aus der Fernsehgebühr querfinanziert wurden. Doch die dazugehörige Rechnung wurde bis heute nicht offengelegt. Mehr als 1,6 Mrd. Euro kostet allein das ERSTE, 1,8 Mrd. Euro bekommt das ZDF. Der WDR plant in 2013 mit 86 Mio. Euro für seine Radio-Programme. 399 Mio. Euro sollen in das Fernsehprogramm fließen. Bisher mussten die Sender ihren Bedarf für Radio und Fernsehen bei der KEF getrennt anmelden. Es kann also nur dann eine Quersubventionierung des Radioprogramms mit Fernsehmitteln geben, wenn die ARD gegenüber der KEF falsche Angaben gemacht hat.

 

Sind an allem nur die Sender schuld? Nun, auch wenn ARD, ZDF und Deutschlandradio verschiedene Gutachten zum neuen Modell bezahlt haben – den Staatsvertrag haben die Ministerpräsidenten gemacht. Nicht die Sender, sondern vor allem die Politiker müssen begründen, warum der Rundfunkbeitrag besser als die Rundfunkgebühr ist. Doch sind sie unter Druck?

 

Laut Statistischem Bundesamt gibt es über 40 Millionen Haushalte. In 2012 gab es 32,5 Millionen private Beitragszahler, weitere drei Millionen waren befreit. Eine „Wutwelle“, wie Zeitungen schreiben, ist nicht zu erkennen. Druck machen nicht die Wählerinnen und Wähler, Druck machen Zeitungen und Zeitschriften sowie einige Unternehmen. Doch in manchen Fällen fragt man sich, ob die von einzelnen Unternehmen angeführte hohe Belastung jetzt nicht auch deshalb so hoch ist, weil man bisher jahrelang der Gebührenpflicht nicht nachgekommen ist. (So soll im Jahre 2007 nach Aussagen der GEZ nur jedes dritte Unternehmen die Rundfunkgebühr bezahlt haben.)

 

Es gibt einige große und viele kleine Ungerechtigkeiten beim Modellwechsel. Großunternehmen sowie die Hotelbranche haben es geschafft, sich zu entlasten. Andere, wie Unternehmen mit vielen Filialen sowie die Hostels zahlen dafür mehr. Die von Paul Kirchhof geforderte Befreiungsmöglichkeit für Menschen ohne Empfangsgeräte wurde nicht umgesetzt, der Nachteilsausgleich für Behinderte mit falscher Begründung gestrichen. Muss man nun mindestens drei Jahre warten, bis die Ergebnisse einer von den Politikern angekündigten Evaluierung, mit der Missstände abgestellt werden sollen,  in Gesetzestext gegossen sind?

 

Der Gesetzestext wird derzeit schon für Kleingärtner und Pflegeheime außer Kraft gesetzt. Dazu reichte jeweils eine Erklärung der Intendanten. Sicher, im Sinne der Betroffenen ist dies richtig. Und es offenbart, dass die Intendanten Spielräume haben, die Fehler der Ministerpräsidenten kurzfristig auszubügeln. So könnten die Probleme von einigen zehn- oder hunderttausend Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen wie den Hostels schnell gelöst werden. Diese machen jedoch jeweils immer nur einen kleinen Teil der bisher über 42,5 Millionen Beitragszahler aus. Und so reagieren die Anstalten nur, wenn die Ministerpräsidenten dies wollen bzw. um offenkundigen gesetzlich fixierten Irrsinn abzustellen, wenn dieser aus ihrer Sicht ihrem Ruf schaden kann.

 

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)