FFA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Viel Aufregung vorab um „Nichts“

Die Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts offenbarten die vorher herrschende Nervosität. „Eine solch profunde Bestätigung der Filmförderung in Deutschland war weder in dieser Form noch in dieser Klarheit zu erwarten“, so FFA-Präsident Eberhard Junkersdorf. Doch warum war er sich da vorher nicht so sicher? Ja, warum wurde in den letzten Jahren immer wieder darauf gedrungen, dass das FFG nicht kritisiert werden soll und die Branche möglichst mit einer Stimme spricht? Gab es da doch Angriffspunkte?

Der Richterspruch habe, so Eberhard Junkersdorf, in mehrfacher Hinsicht historische Bedeutung. „Zum einen seien sowohl die erfolgreiche Filmförderung der FFA wie auch das Abgabesystem insgesamt als absolut verfassungskonform bestätigt. Darüber hinaus jedoch hätten die Richter dem deutschen Film eindeutig attestiert, dass dieser ein unverzichtbarer Bestandteil sowohl der nationalen Kultur wie auch als Wirtschaftsfaktor in sämtlichen Auswertungsstufen ist.“ Er rief die Filmwirtschaft dazu auf, „jetzt geschlossen die drängenden Fragen der Zukunft zu lösen.“

Doch gibt es erstens die Filmwirtschaft in Deutschland? Und welches sind zweitens die drängenden Fragen der Zukunft?

Wer sich zum ersten näher mit der Branche beschäftigt, kann allein bei den Produzenten drei Gruppen erkennen. Da gibt es erstens die fest im Fernseh- und Kinogeschäft verankerten Produzenten, die sich im Rahmen der traditionellen Verwertungsketten refinanzieren. Da sind zweitens senderabhängige Unternehmen (von ARD und ZDF), die sich aus denselben Quellen finanzieren, aber auch durch intransparente Auftragsvergaben durch ihre Mütterhäuser ein eigenes Geschäftsmodell haben. Und drittens gibt es unabhängige Produzenten, die versuchen, für ihre einzelnen Filme Geld (TV, Filmförderung, Crowdfunding) aufzutreiben und Teile der Finanzierung über Gagenrückstellung selber einbringen. Die Interessen der ersten beiden Gruppen unterscheiden sich wesentlich von der dritten Gruppe.

Zudem haben die Kino-Produzenten nur geringe Spielräume, wie Martin Hagemann von der AG Dok in einem lesenswerten Artikel für die Frankfurter Rundschau feststellte: „Niemand in der Branche heute hat weniger Möglichkeiten und Einfluss, niemand ist abhängiger von den Verwertern, den Förderern und dem Fernsehen als die unabhängigen deutschen Kinofilmproduzenten.“ Die deutsche Filmförderung sei ein System, in dem die Gewinne erfolgreicher Filme auf der Seite der Verwerter realisiert werden: der Kinos, Verleiher und der DVD-Vertriebe. Die Produzenten realisierten in der Regel auch bei erfolgreichen Kinofilmen wenig Gewinn. Die Verwerter hätten in der Regel schon sechsstellige Beträge verdient, bevor der Produzent sein Investment zurückbekommt, geschweige denn Gewinne macht. „So hat sich eine Branche von den Füßen auf den Kopf gestellt, in der erfolgreiche Filme Geld für die Verwerter einbringen, während die unabhängigen Produzenten entkapitalisiert wurden.“

Kurzfristige Abhilfe, so Martin Hagemann, könne nur eine Ausdifferenzierung der wirtschaftlichen und der kulturellen Erfolgskriterien der Förderung bringen. „Für die künstlerischen und kulturellen Filme müssen andere Finanzierungs- und Verwertungsstrukturen entwickelt werden, die dann eine bessere ökonomische Situation der Produzenten und Kreativen dieser Filme, sowie einen direkteren Zugang zum Publikum ermöglichen. Allerdings müssten dazu Kriterien eines kulturell und künstlerisch erfolgreichen Films entwickelt werden, denen sich diejenigen stellen müssten, die diese Filme inszenieren und produzieren.“

Damit ist er in Fragen der Reform der Filmförderung grundsätzlicher als der Vorsitzende des Produzentenallianz-Gesamtvorstands Alexander Thies, der drei wesentliche Aufgaben sieht: Als erstes sollen auch jene zur „Filmabgabe herangezogen werden, die mit der Online-Verbreitung von Filmen Geld verdienen: Deutsche Telekommunikationsunternehmen, aber auch ausländische VoD-Anbieter. Weiter müssen die Möglichkeiten für Produktionsunternehmen, Eigenkapital zu bilden, verbessert werden, damit in neue Projekte investiert werden kann. Schließlich müssen die Verhältnisse zwischen Produktionsunternehmen und Verwertern verbessert werden.“ Dies macht deutlich: die Produzentenallianz will am System nichts Grundsätzliches ändern, es soll nur an einigen Stellschrauben gedreht werden.

Doch für Martin Hagemann ist klar. „Erst wenn die Kreativen und Produzenten dabei nicht von Gremien und Redaktionen abhängig sind und die Entscheidung und das Risiko der Stoffauswahl selbst tragen, hat der deutsche Film auch beim Publikum und den internationalen Festivals wieder eine Chance. Weil ein solcher Film dann wieder etwas zu sagen hätte. Weil er riskanter wäre als alles, was man im Moment zu sehen bekommt im deutschen Kino. Und weil sich das Risiko wieder lohnen würde, abseits der nur-kommerziellen Strecke zu denken und zu produzieren.“

Dem entsprechende neue gesetzliche Regelungen zu schaffen – dafür hat das Bundesverfassungsgericht den Politikerinnen und Politikern den Rücken gestärkt. Ist doch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar, dass auch der Bund die Kompetenz hat, die Filmförderung kulturell auszurichten. „Es kann jedoch einem Staat, der sich von Verfassungs wegen als Kulturstaat versteht, nicht verwehrt sein, in der Wahrnehmung aller seiner Kompetenzen auch auf Schonung, Schutz und Förderung der Kultur Bedacht zu nehmen.“ Damit hat das Gericht den Doppelcharakter des Films, wie er auch im FFG definiert wird, festgeschrieben: Film ist immer Wirtschaftsgut und Kulturgut zugleich. So wird es jetzt, mit der Sicherheit des Urteils im Rücken, darum gehen, diese beiden Förderziele des FFG stärker zu definieren und die Förderrichtlinien und Erfolgskriterien stärker auszudifferenzieren.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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