Die Überschrift versprach mehr, als eine zweistündige Podiumsdiskussion zu halten in der Lage ist. Die Erwartung kann man jedoch durch inzwischen gelerntes Mediennutzungsverhalten realistisch runterdimmen. Man weiß ja, es geht um Aufmerksamkeit. Sogenannte Eyecatcher gehören dazu: Gott, Google, Link-Ökonomie. Hätte man als Thema geschrieben: Das Leistungschutzrecht für Verlage – was soll es, was kann es? – wäre vermutlich der große Saal in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung nicht so gut gefüllt gewesen.
20.01.2010
Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
Diskutanten (von links nach rechts):
1 Till Jaeger, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Berlin
2 Christoph Keese, Head of Public Affairs, Axel Springer AG, Berlin
3 Matthias Spielkamp, Freier Journalist, Berlin – Moderator
4 Malte Spitz, Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen, Berlin
5 Dr. Eva-Maria Schnurr, Freie Journalistin, Hamburg
Moderator Matthias Spielkamp mühte sich redlich durch originelle Formulierungen, Wachheit und Sensibilität das Publikum bei der Stange zu halten. Doch die Materie ist sehr abstrakt und vor allem durch eine unsinnliche, juristische Terminologie begleitet. Der Konzentrationsabfall war vorprogrammiert. Sogar die Freien Journalisten vertretende Panel-Teilnehmerin, Dr. Eva-Maria Schnurr musste während der Diskussion zugeben, den Stoff nicht durchdrungen zu haben.
Der rhetorisch beste Redner auf dem Podium, Springer-Mann Christoph Keese, versuchte in einer klaren, logischen und einfachen Sprache, Verständnis für die Verleger zu gewinnen, das wegbrechende Geschäftsmodell der anzeigenfinanzierten Papiermedien durch neue Erwerbsquellen zu kompensieren. Das was z. B. bei der Musikindustrie doch selbstverständlich sei, dass man sich bestimmte Leistungen vergüten lasse, möchte man auch für Verlage durchsetzen. Dabei wolle man nur von denen kassieren, die mit den verlagseigenen Texten gewerbliche Plattformen füllen. Wie Google. Um wieviel wertloser wäre doch die Suchmaschine, wenn sie nur Links und keine Textausschnitte veröffentlichen würde. Da sich Google nicht nur mit fremden Federn schmückt, sondern damit auch noch Geld verdient, allein in Deutschland sollen es rund 2 Milliarden Euro sein, müssten die Verlage, die im Onlinebereich nur 160 Millionen Euro durch Werbung einnehmen, Lizenzgebühren verlangen dürfen, abgesichert und legitimiert durch ein Leistungsschutzrecht. Auch Journalisten sollten davon profitieren.
Kampf gegen die Gratiskultur. Warum nicht, wenn es dem Qualitätsjournalismus dient? Abgesehen von einer sicher nicht unberechtigten Skepsis, ob hier tatsächlich das Geld in die richtigen Taschen flösse, ist das Terrain juristisch noch nicht erschlossen und müsste sehr aufwendig, eindeutig und international kompatibel ausdefiniert werden.
Denn, es gibt auch Auffassungen, dass die Übernahme von Textzeichen keine Leistung ist, die die Verlage originär ermöglichen. Die nackten Buchstaben gehörten eher den Autoren. Wie die Komposition in Notenform dem Komponisten. Die unverwechselbare Musikaufnahme ist dagegen eine Leistung der Produzenten, die man schützen kann. Doch was ist das Gegenstück bei einem Artikel? Verlage erstellen Layouts, schaffen das Umfeld für eine Inhalte-Produktion. Die reine Textentnahme berührt keine Verlagsleistungen. Oder doch?
Niemand hat darauf eine gültige Antwort. Seit Monaten. Das macht Diskussionen auf der Ebene einer öffentlichen, bürgernahen Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt so unerquicklich. Ein “Gut, dass wir mal darüber gesprochen haben” – reicht eigentlich nicht. Dafür sind zwei Stunden Lebenszeit einfach zu viel. Besser waren die dran, die sich während einer Sekundärtätigkeit wie Bügeln per Livestream dazu schalten konnten.
Man kann sich natürlich auch diesen Mitschnitt anhören, als Einstieg in die Thematik, zeitsouverän und die sperrigen Details überspringend. Jörg Wagner
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