Henri-Nannen-Preis: Kann BILD preiswürdig sein?

„Rund 1200 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien haben sich im Hamburger Schauspielhaus eingefunden, das diesmal mit ganz besonderen Kulissen aufwartet: Statt einer herkömmlichen Bühne spielt das Geschehen rund um die Preisverleihung in einer nachgebauten Bar-Umgebung. Für den diesjährigen Preis wurden insgesamt 872 Arbeiten eingereicht“, berichtet stern.de am Freitag.

„Die „Bild“-Zeitung wird für ihre Berichterstattung über die Wulff-Affäre mit renommiertem Journalistenpreis ausgezeichnet. Die „Süddeutsche Zeitung“ lehnt daraufhin eine Ehrung ab. Bild und Wulff hätten seit Jahren eine Geschäftsbeziehung unterhalten, die von Bild zuletzt einseitig aufgekündigt worden sei. Viel Investigation, also das ermitteln gegen Widerstände, sei da nicht gewesen“, so die taz. „Die „SZ“-Journalisten Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter lehnten den Preis jedoch ab, weil sie ihn nicht mit „Bild“ teilen wollten“, heißt es beim Kölner Stadtanzeiger. „Die mögliche Auszeichnung des Boulevardblatts „Bild“ war bereits im Vorfeld umstritten; die Grünen-Politikerin Antje Vollmer bezeichnete sie als „Ritterschlag mit Zugang zur Artus-Runde“ für das Massenblatt.“ Darauf verweist die Frankfurter Rundschau und hält fest: „Denn die Information, wer der Kreditgeber für Wulffs Hauskauf war, erhielt Bild am 6. Dezember 2011, und zwar direkt aus dem Bundespräsidialamt, was auch als Glücksfall gewertet werden kann. Dem vorausgegangen war die erfolgreiche Klage des Spiegels auf Einsicht in das Grundbuch der Wulff-Immobilie.“

„Jury-Mitglied Helmut Markwort sagte, die Jury habe keine Debatte über Boulevard-Journalismus geführt. Eine investigative Leistung werde nicht daran gemessen, in welchem Medium sie erschienen ist.“ So das Hamburger Abendblatt. „Die Nominierten erfüllten die Kriterien Rechercheleistung und gesellschaftliche Bedeutung der Recherche, erläuterte Markwort. Dreimal habe die Jury abgestimmt, dreimal habe es ein Patt gegeben, sagte Markwort. Deshalb sei die Entscheidung für zwei Preisträger gefallen“, berichtet die FAZ.

Wolfgang Storz verweist im Radio1-Medienmagazin darauf, dass BILD kein journalistisches Medium ist, dass BILD nur solange Journalismus betreibt, wie es ins Geschäftskonzept passt. Zu dieser allgemeinen Herangehensweise der Zeitung (“Drucksache Bild – Eine Marke und ihre Mägde“) wie auch zum konkreten Fall („BILD und Wulff – ziemlich beste Partner“) hat er zwei Studien vorgelegt.

Ulrike Simon bringt die Debatte in der Frankfurter Rundschau so auf den Punkt: „Welche für den Journalismus sinnvolle Debatte könnte der Henri nun also nach sich ziehen? Es muss die Frage sein, welches Kriterium bei einer investigativen Recherche mehr ins Gewicht fällt: die Rechercheleistung des Reporters oder die Wirkungsmacht der Veröffentlichung – wobei unklar ist, ob die Fallhöhe, die enorme öffentliche Debatte oder die Schlagkraft der Zeilen und damit die Lautstärke des Mediums gemeint ist.“

Das netzwerk recherche kritisiert diese Nannen-Preis-Vergabe und stellt fest: „“Investigativ arbeiten“ heißt nicht, wie die Jury offenbar glaubt, eine möglichst skandalträchtige Schlagzeile zu produzieren oder von anderen Medien möglichst oft zitiert zu werden. Das sind allenfalls Begleiterscheinungen. „Investigativ arbeiten“ heißt vor allem, ein gesellschaftlich relevantes Thema hartnäckig zu verfolgen, gegen Widerstände zu recherchieren, dabei neue Erkenntnisse zu gewinnen und sie verständlich zu präsentieren. Also journalistische Aufklärung im besten Sinne zu betreiben. … Der Jury des Nannen-Preises fehlt offenbar zum wiederholten Mal ein klares Verständnis für die journalistischen Kriterien. Im Fall der Auszeichnung der Bild-Zeitung verwechselt sie einen erfolgreichen Scoop mit der besten investigativen Leistung.“ Das netzwerk recherche fordert zudem ein Jury mit anderem Selbstverständnis und verweist auf den Pulitzer-Preis der USA.

 

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)