Ich habe dem Neuen Deutschland ein Interview zum Streit der Verleger mit der ARD um die Tagesschau-App gegeben.
ND: Die Zeitungsverleger wollen die sogenannte Tagesschau-App, die Inhalte des Internet-Angebots der ARD-Tagesschau auf Smartphones und Tablet-Computer bringt, per Gerichtsbeschluss beschneiden. Worüber geht der Streit eigentlich?
Die Zukunft eines jeden Mediums liegt im Internet, das wissen sowohl die TV-Sender als auch die Zeitungsverleger. Da will keine Seite der anderen freiwillig Terrain überlassen.
ND: In dem Streit geht es ja vor allem darum, dass die Verleger die ARD auffordern, die App so zu gestalten, dass sie weniger Textbeiträge enthält. Damit sei sie „presseähnlich“. Sie sehen in der App eine wettbewerbsverzerrende Konkurrenz zu ihren eigenen Online-Angeboten. Wildert die ARD in fremden Gefilden?
Nein. Das Internet ist ein neues Medium. Ihm entspricht der Onlinejournalismus – eine Verbindung von Text, Ton und Bewegtbild. Es unterstellt keiner den Verlagen, dass sie Fernsehen machen – nur weil sie im Internet auch Filme anbieten.
ND: Das Kölner Landgericht, das über den Streit nun entscheiden soll, sieht in dem Fall weniger eine juristische denn eine medienpolitische Angelegenheit und hat am Donnerstag erneut eine gütliche Einigung angemahnt. Wie könnte ein solcher Kompromiss aussehen?
Mit der Tagesschau-App wird der mobile Verbreitungsweg bedient. Sie ist sehr erfolgreich, hat über 4,2 Mio. Nutzer. Der Inhalt entspricht dem von tagesschau.de. Ein Angebot, das es schon mehr als ein Jahrzehnt gibt. Es gibt keinen Grund für die ARD, ihr Angebot freiwillig zu reduzieren.
ND: Die ARD sollte also hart bleiben?
Die Position der Rundfunkräte war von Anfang an klar: Keine Abstriche an dem Angebot. Es ist durch den Rundfunkstaatsvertrag gedeckt. Es gibt keinen Grund, mit den Verlegern zu verhandeln. Einige Intendanten haben das aber anders gesehen.
ND: Was könnte dafür der Grund gewesen sein?
Der Druck kam von den Verlegern. Diese haben erklärt, dass es ihnen mit der Klage um medienpolitische Weichenstellungen geht. Einige Intendanten sehen es als ihre Aufgabe an, mit den Verlegern gemeinsam „den Qualitätsjournalismus für Deutschland“ zu retten.
ND: ARD und ZDF sowie die Zeitungsverleger sind aber nicht nur Konkurrenten. In der „Deutschen Content-Allianz“ schreiten sie Seit‘ an Seit‘ gegen Urheberrechtsverletzungen. Sie haben sich z.B. gemeinsam für das umstrittene ACTA-Abkommen stark gemacht, das in der Internetgemeinde – z.B. bei Bloggern – auf heftige Kritik gestoßen ist. Wie viel Inszenierung steckt in dem Streit zwischen ARD und Verlegern?
Eine Menge. Für die Tagesschau-App ist der Norddeutsche Rundfunk verantwortlich. Am Verhandlungstisch sitzen aber nicht nur die vom Rechtsstreit Betroffenen, sondern weitere Intendanten von ARD und ZDF sowie der BDZV. Es geht ihnen um mehr als die Frage, wie viel Text in einer App sein darf. Es geht um die Aufteilung des lukrativen Online-Medienmarktes unter den Beteiligten. Und es geht darum, wie man sich gegen Google, Facebook und andere wehren kann. Das Informationsinteresse der Nutzerinnen und Nutzer spielt da keine Rolle.