Keine zeitnahe Novellierung des MDR-Staatsvertrages

In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Chefs der Staatskanzleien der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen teilen diese gestern mit, dass sie „nach intensiven Verhandlungen über eine Novellierung des MDR-Staatsvertrages übereingekommen (sind), dass dieses politische Vorhaben nicht kurzfristig im Jahr 2015 erfolgreich abzuschließen ist. Vorgesehen war, zum jetzigen Zeitpunkt in Form eines Vorschaltstaatsvertrages vorsorglich den Anforderungen Rechnung zu tragen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil über den ZDF-Staatsvertrag zur Frage einer staatsfernen Zusammensetzung der ZDF-Gremien formulierte. Hierzu gehören neben einer Erweiterung des Kreises der staatsfernen Mitglieder des Rundfunkrates auch Fragen der Transparenz der Gremien, Regelungen zur Unvereinbarkeit einer Gremienmitgliedschaft mit bestimmten öffentlichen Ämtern inklusive einer Karenzzeit sowie eine stärkere Betonung der Geschlechtergerechtigkeit. Nach Verabschiedung dieses Vorschaltstaatsvertrages noch im Jahr 2015 sahen die drei Staatskanzleichefs eine weitere, grundlegende Überarbeitung des MDR-Staatsvertrages vor, der vom 31.5.1991 datiert und an die digitale Medienwelt angepasst werden muss. Die Abstimmungen im parlamentarischen Raum führten jedoch zu dem Ergebnis, dass nicht mit einer Mehrheit für den gemeinsamen Vorschlag der drei Staatskanzleien zu rechnen gewesen wäre.“

 

Leider wird nicht dargestellt, welche Änderungen es in den Gremienzusammensetzung geben sollte. Für den Rundfunkrat wären da mehrere Varianten möglich gewesen.

  1. Aufstockung der im § 19 Absatz 1 MDR-Staatsvertrag festgeschriebenen Gruppierungen
  2. Aufstockung der durch die Landtage zu vergebenen Plätze für gesellschaftlich relevanten Gruppen (bisher 8 Plätze)
  3. eine Kombination aus 1. und 2.

 

Zudem hätte man auch die Sitze im Verwaltungsrat erhöhen können, um so auch je Land einen staatsnahen Vertreter (aktuell drei von 7) entsenden zu können. Wenn man nach rein praktischen Erwägungen vorgehen würde, müsste es folgende Änderungen geben.

 

  1. Die in § 19 Absatz 1 MDR-Staatsvertrag festgeschriebenen Gruppierungen müssen um je einen Platz erhöht werden, um der Domowina als Vertretung der sorbischen Minderheit einen dauerhaften Platz zu sichern.
  2. In Ziffer 74 seines ZDF-Urteils hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Zusammensetzung des Fernsehrates ausgeführt, dass der Gesetzgeber „auch für einige Sitze der Aufsichtsgremien eine Bewerbung interessierter Verbände ermöglichen und deren Bestimmung – abgesichert etwa durch qualifizierte Abstimmungsquoren – für jede Wahlperiode neu in die Hände der Parlamente legen“ kann. Dies entspricht dem MDR-Modell. Um die Staatsquote deutlich unter ein Drittel zu drücken, hätte man die vom Bundesverfassungsgericht beispielhaft erwähnte Variante nutzen und die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze (laut § 19 Absatz 1 Ziffer 16 MDR-Staatssvertrag) von acht auf 11, 14 etc. erhöhen können.

 

Es wäre spannend zu erfahren, ob es möglicherweise im parlamentarischen Raum für eine der möglichen Varianten eine parlamentarische Mehrheit gibt. Bisher ist nur klar, dass es für den Konsens der Staatskanzleien, von denen jede für sich mehrere Varianten favorisieren bzw. mittragen kann, keine parlamentarische Mehrheit in allen drei Landtagen gibt.

 

Weiter heißt es in der Presseerklärung: „Die Chefs der Staatskanzleien von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind sich darin einig, die Verhandlungen fortzusetzen und die genannten inhaltlichen Ziele nunmehr in einem einheitlichen Vertragswerk zusammenzufassen. Sie sind einig in der Überzeugung, dass der Mitteldeutsche Rundfunk für seine weitere erfolgreiche Entwicklung eine zeitgemäße Rechtsgrundlage benötigt.“

 

Doch warum sollte man bei weiteren grundlegenden Fragen einen Konsens finden, wenn dies nicht mal bei der Gremienreform gelingt? Zudem steht man dann weiterhin vor der Frage der Gremienzusammensetzung. Warum sollte sich hier etwas an den parlamentarischen Mehrheiten ändern, wenn sich der Vorschlag nicht ändert? Oder geht man davon aus, dass sich der Vorschlag ändern kann? Doch warum sollte sich der Vorschlag ändern, wenn sich die Regierungskonstellationen nicht ändern? Die nächste Landtagswahl ist in Sachsen-Anhalt, am 13. März.

 

UPDATE (26.04.2015)

Madeleine Henfling, medienpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landtagsfraktion Thüringen: „Insbesondere ist wichtig, dass sich die Benennung der Mitglieder des MDR-Rundfunkrats an der Vielfalt der Gesellschaft orientiert und sich alle Bevölkerungsgruppen wiederfinden. Nicht zuletzt muss auch die Anzahl von Frauen im Gremium deutlich erhöht werden.“

 

Presseerklärung  vom 24.04.2015 (online)

 

UPDATE (27.04.2015)

„Auch die Vielfalt der gesellschaftlichen Gruppen muss berücksichtigt werden. Wie werden Menschen mit Behinderung, Lesben und Schwule oder Migranten repräsentiert?“, fragt Claudia Maicher von den Grünen im Sächsischen Landtag. „Der seit 1991 nicht geänderte Staatsvertrag muss gesellschaftliche Veränderungen aufnehmen, um im 21. Jahrhundert anzukommen.“ Für sie ist die Verzögerung „kein Zufall. Seit Monaten steht die sächsische Staatskanzlei auf der Bremse. Meine Befürchtung vom Herbst 2014, dass die umfassende Novellierung des MDR-Rundfunkrates auf die lange Bank geschoben wird, hat sich leider bestätigt.“

 

Presseerklärung vom 26.04.2015 (online)

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)