Klick-Tipp: Geografie der Aufmerksamkeit – Tigray is not trending

In der Tagesschau um 20 Uhr stirbt niemand in Tigray. Nicht, weil dort keiner stirbt, sondern weil es niemand zeigt. […]

Zwischen 2007 und 2016 wurden in der Tagesschau 22.213 Beiträge über Deutschland ausgestrahlt, Tansania kam im selben Zeitraum auf zwölf, Madagaskar auf drei. Der Bürgerkrieg in der äthiopischen Region Tigray, von manchen Historikern als der tödlichste Krieg des 21. Jahrhunderts bezeichnet, tauchte in der deutschen Öffentlichkeit so gut wie gar nicht auf. […]

Medien sind keine neutralen Fenster zur Welt, sie sind nach wie vor oftmals mehr Türsteher als Türöffner. Was durchgelassen wird, entscheidet sich an der behaupteten politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Nähe – die tatsächliche geografische Nähe ist nicht entscheidend – so ist der Jemen beispielsweise ja näher an Deutschland als die USA. Die Berichterstattung offenbart eine brutale Hierarchie: Leben haben unterschiedliche Nachrichtenwerte. […]

Was als publizistisch wertvoll erachtet wird, entscheidet sich an der Schnittstelle von Quotenangst, Ressourcenmangel und internalisierter Eurozentrik. Die klassischen Nachrichtenfaktoren, die in Redaktionen helfen sollen, die Wichtigkeit von etwas zu bewerten, lesen sich leider auch wie eine Einladung zur Weltverkürzung: Nähe, Prominenz, Personalisierung. Das symbolische “Wo” eines Ereignisses wiegt schwerer als das tatsächliche „Was“. […]

Wie könnte es anders gehen? Indem wir das Verhältnis umkehren. Nicht „was interessiert uns hier?“, sondern „wen dort betrifft es?“ als Leitfrage, um Berichterstattung zu dezentrieren und zu globalisieren. […] Die Erkenntnis muss sein: Tigray ist nicht zu weit weg, es wird ganz weit weggeschoben.

Samira El Ouassil, @mediasres, 03.09.2025 (online)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)