Und ich denke, dass wir in diesem Fall eine Mehrheit hätten, um ehrgeizigere Konjunkturpläne in Bezug auf Klima-, Steuer- und Wirtschaftsgerechtigkeit zu verabschieden, und wir werden dies sehr schnell brauchen, denn die provisorische Lösung, insbesondere zur Bewältigung des Anstiegs der Staatsverschuldung, besteht darin, die Europäische Zentralbank schlussendlich einen wachsenden Anteil der Staatsverschuldung in ihrer Bilanz übernehmen zu lassen. Das ist eine Lösung, die sehr schnell ihre Grenzen erreichen wird, denn tatsächlich führt diese sehr kräftige Geldspritze, die wir auf den Finanzmärkten haben, zu steigenden Börsenkursen, zu steigenden Immobilienpreisen, all dies führt schließlich oft zur Bereicherung der Reichsten und nicht unbedingt zur Verringerung der Ungleichheiten. Wir glauben also einerseits, dass wir das Problem der Staatsverschuldung lösen, indem wir die Zinssätze auf null setzen, aber andererseits schaffen wir andere Ungleichheiten, sodass wir an einem bestimmten Zeitpunkt Maßnahmen wie Sonderabgaben für die Reichsten ergreifen werden müssen.
Darauf müssen wir uns vorbereiten, vor allem mit den dafür erforderlichen Umgestaltungen der europäischen politischen Institutionen, auch wenn dies bedeutet, dass wir mit einer kleineren Zahl von Ländern vorankommen müssen, und ich glaube, dies ist der schwierigere Teil der Überlegungen, bei dem heute viele zögern, der aber leider unvermeidlich sein könnte.
Thomas Piketty im Gespräch mit Andreas von Westphalen. Deutschlandfunk, Essay und Diskurs, 21.03.20201 (online)