„Dort, wo Journalismus, wo Datenjournalismus dringend benötigt würde, findet er nicht statt.
Das scheint auch an einem Missverständnis zu liegen, das immer wieder zu Tage tritt: Weder ist die Recherche in Daten, noch die reine Wiedergabe von Statistik als auch eine Datenvisualisierung alleine schon Journalismus. Denn Journalismus kann nicht wahllos sein. Es muss einen Grund geben, warum Journalisten etwas für berichtenswert halten. Und dieser Aspekt fehlt mir bei so manchen als Datenjournalismus bezeichneten Werken. Ich schaue sie mir an und wundere mich über den Mangel an Analyse. …
So gibt es Themen, die tagesaktuell Bedeutung haben. Wo war etwa das Datenstück zu Griechenland? Seit sechs Monaten ist das Dauerthema. Aber hat im deutschsprachigen Raum sich wirklich jemand den europäischen Finanzdaten, dem ganzen Schuldenuniversum der EU gewidmet und das verständlich – gestützt durch Visualisierungen – runtergebrochen? Dass dies nicht geschehen ist, ist fahrlässig und für das Genre Datenjournalismus eigentlich beschämend. ….
Das Internet mit seinen massiven Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche der Gesellschaft ist grundlegend datengetrieben. Es ist frappierend, dass diese umwälzende Technologie nicht viel mehr Thema im Journalismus ist. So gibt es im Fernsehen so gut wie keine Sendung zu diesem Komplex … In den anderen Medienformen sieht es hinsichtlich dessen – klar gibt es Ausnahmen – nicht besser aus: Algorithmen, die immer mehr unsere Geschicke beeinflussen, sind in allen Medien völlig “underreported”. Hier ist die Stelle, an der Datenjournalismus brillieren könnte: Wo werden von wem Daten gesammelt; wem gehören sie; wie geschieht das; was wird mit den Daten gemacht; wo begegne ich ihnen in verarbeiteter Form wieder; welche Interessen stecken dahinter; wie beeinflusst das mein Leben; wie kann ich hier halbwegs Kontrolle bewahren?“
Lorenz Matzat auf datenjournalist.de (14.07.2015)