Lobbyismus unter dem Deckmantel oberflächlicher Medienpolitik?

Die Süddeutsche Zeitung hatte am Freitag, dem 13. Februar, auf ihrer Medienseite viel Platz freigeräumt. Dort durften Josef Krieg und Markus Rhomberg darlegen, wie sie ARD und ZDF reformieren, zusammenlegen und über eine Stiftung finanzieren. Abgesehen davon, dass dieser Gedanke nicht neu ist, haben sie jedoch einige neue Aspekte damit verbunden, die medienpolitisch der Stiftungsidee mindestens gleichgewichtig sind.

 

„Betrachtet man Finanzierung, Expansion und Ausdifferenzierung des dualen Mediensystems, ist es schon erlaubt zu fragen, ob Deutschland nach über 70Jahren Demokratie überhaupt zwei staatliche Sender braucht.“

 

Erstens gibt es in Deutschland keinen staatlichen Rundfunk. Wenn, dann gibt es sehr staatsnahe Anbieter, so wie z.B, bisher das ZDF (Zusammensetzung der Gremien), die Deutsche Welle (Zusammensetzung der Gremien und Finanzierung aus dem Bundeshaushalt) und das Deutschlandradio (Zusammensetzung der Gremien). Die ARD ist ja kein Sender, sie ist eine Arbeitsgemeinschaft. Fast alle ihre Mitglieder, immerhin neun Landesrundfunkanstalten, bieten sowohl ein eigenes Fernsehvollprogramm, aber auch jeweils mehrere Radioprogramme.

 

„Im Gegensatz zu den bisherigen digitalen Medien-und Kommunikationsplattformen darf diese neue Senderplattform keine Daten sammeln. Dafür zahlen im Gegenzug die Bürger dieses Landes ihre Rundfunkgebühr. So wäre eine zentrale Forderung umgesetzt, die unter anderem der Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Jaron Lanier erhoben hat, als er vorschlug, dass die Internetkonzerne für unsere Informationen, die wir im Netz hinterlassen, zu zahlen haben.“

 

Das klingt erst einmal gut. Doch letztlich wäre dies das Todesurteil für die Sender. Wenn ale anderen Anbieter Daten erheben, um damit u.a. auch ihre Angebote zu optimieren und zu individualisieren, wäre ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht mehr konkurrenzfähig. Die Frage steht doch nicht, ob man Daten erheben darf oder nicht, sondern unter welchen Bedingungen und mit welchen Zielen dies geschieht und ob die Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit haben, nicht nur ihr Einverständnis zur Datenspeicherung zu erklären, sondern auch zu verlangen, dass alle ihre Daten wieder gelöscht werden.

 

„Die Sender sehen es nicht als ihre Aufgabe an, ihr gutes Material zum Beispiel im Sinne einer Zweitverwertung didaktisch aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit über Sendezeiten und Mediatheken hinaus anzubieten. Welche Schule käme auf die Idee, mit Beiträgen von ARD und ZDF ihren Unterricht signifikant zu verbessern?“

 

Nun, da gibt es so einige. Es scheint als sollte hier ein Markt für Bildungsinhalte freigeräumt werden. Schließlich versuchen ja viele Unternehmen in den Bildungsbereich zu expandieren, einen Fuß in die Schulen zu bekommen. Um ihren Namen zu vermarkten oder auch ihre Bildungsprodukte unterzubringen. Ist es nur ein Zufall, dass einer der Partner in der Beratungsagentur (LINK) von Josef Krieg mit Dr. Dirk Refäuter, ein früherer Bereichsvorstand Konzernentwicklung der Bertelsmann AG ist, der dort für den Bereich Bildung zuständig war?

 

„Die finanzielle Ausstattung der Medienstiftung muss üppig sein, wenn man nicht auch die zweite Halbzeit im digitalen Innovationswettlauf mit den USA verlieren will. Im Silicon Valley stehen pro Jahr rund 15 Milliarden Dollar Venture Capital zur Verfügung. Das heißt, die Stiftung muss pro Jahr etwa drei Milliarden Euro investieren können. Sie muss mit ihren Produkten auch Geld verdienen.“

 

Woher sollen die 3 Milliarden Euro kommen, wen man keine Werbung verbreiten darf? Über den Verkauf von Lizenzen, DVDs, Video-on-Demand-Rechten? Selbst wenn dies möglich ist: Geld verdienen kann man aber nur auf dem Markt. Damit hätte man ein weiteres Ziel – neben der Aufgaben, einen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung zu leisten. Wer Geld verdienen will und muss, muss sich am Markt ausrichten. Damit würden die Sender der Stiftung nicht mehr unabhängig agieren. Die Sender hätten den Trend, renditeorientiert zu agieren, in sich eingeschrieben. Es gibt bestimmt Bereiche, deren Inhalte man nicht af dem Markt nachträglich zu Geld machen kann. Mit aktuellen Nachrichten und berichten ist dies schwierig. Oder soll die Stiftung die Inhalte dann auch an die Verlage verkaufen, wie es gerade in der Schweiz diskutiert wird? Preiswert gute journalistische Information zu erhalten ist sicher auch im Interesse der Verlage, wie auch der Medienunternehmen des Bertelsmann-Konzerns.

 

Dieser Beitrag wirft noch eine ganz andere Frage auf: Wieso bietet die Süddeutsche Zeitung den beiden Autoren so viel Platz? Warum weist sie nicht auf die Fehler in diesem Beitrag hin? Und – wo bleibt die Entgegnung der öffentlich-rechtlichen Sender?

 

Hinweis:

Josef Krieg hatte den Bereich „Neue Geschäftsfelder“ der FAZ seit Mitte 2011 verantwortet und war davor Leiter Unternehmenskommunikation bei der überregionalen Zeitung. Josef Krieg hatte die Zeitung aus persönlichen Gründen verlassen, wie der Verlag bekannt gab.

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