MDR zerstört Mythos

Über Jahre gingen die öffentliche Debatte und die Recherche. Der MDR überschritt das geplangte Budget für eine 60minütige Dokumentation weit. Nun ist es klar: „Die mysteriöse Dunkelgräfin von Hildburghausen war nicht die Tochter des französischen Königs Ludwig XVI. und seiner Frau Marie Antoinette. Das haben wissenschaftliche Untersuchungen der sterblichen Überreste ergeben.“ Dies vermeldete MDR Thüringen.

Um die sterblichen Überreste untersuchen zu lassen, musste sogar ein Bürgerentscheid für Klarheit sorgen. Denn hatten Bürgerinnen und Bürger Hildburghausens angestrengt, um einen Stadtratsbeschluss zu kassieren. Im April 2013 hatte „die Mehrheit der Wähler gegen eine Öffnung des Grabes gestimmt. Aber es waren einfach zu wenige, die ihr Stimmrecht wahrgenommen haben. Die Wahlbeteiligung lag bei 24,3 Prozent. Von den 9887 Stimmberechtigten hätten 1977 gegen die Öffnung stimmen müssen, um den Stadtratsbeschluss zu kippen. Für die Exhumierung stimmten 738 Bürgerinnen und Bürger (30,9 Prozent), dagegen 1656 (69,1 Prozent)“, meldete damals Freies Wort.

 

Der Hildburghäuser Künstler Siegfried Rommeiß, der immer ein Gegner der Exhumierung war, verweist nun darauf, dass das Ergebnis der DNA-Analyse für ihn unerheblich sei. „Man hat sich über ethische und moralische Grundsätze hinweggesetzt und ein Jahrhunderte altes Geheimnis, einen Mythos, zerstört“, zitiert ihn Freies Wort. Und die Crew des Landesfunkhaues Thüringen hat dafür ihren Programmauftrag überschritten. „Die Landesprogramme sollen insbesondere das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse, das kulturelle Leben sowie die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern darstellen.“ Sie hat den Anlass für die Berichterstattung dadurch geschaffen, dass sie die Untersuchung bezahlt hat.

 

Die Dokumentation, eine Eigenproduktion des Landesfunkhauses Thüringen, hat den MDR über 200.000 Euro gekostet. Über solche Etats verfügen ansonsten nur nationale bzw. internationale Koproduktionen. Hat sich der Aufwand gelohnt? Nun, die Stadt Hildburghausen und der MDR waren damit über zwei Jahre hinweg immer wieder in der Presse. Die Crew des Landesfunkhaues kann weiterziehen. Schon 2008 hatte man auf eigene Rechnung feststellen lassen, dass in Schillers Grab in Weimar nicht dessen Schädel und Gebeine liegen. Mal sehen, welcher Mythos als nächster dran ist.

 

Die Stadt Hildburghausen hat einen Mythos verloren. Ob sich die im Tausch dafür gewonnene PR der letzten Jahre für die Stadt langfristig auszahlen wird, wird sich zeigen. Kann man doch mit dem Mythos keine PR mehr machen.

 

 

UPDATE 31.07.2014

 

„Es ist nicht falsch, nach Wahrheit zu streben. Sie ist das Ziel von historischer Forschung. Aber man muss sich der Konsequenzen bewusst sein. Der MDR und die verantwortlichen Redakteure dort waren das offenbar nicht. Sie interessierte wenig: Hildburghausen hatte nicht nach Aufklärung gerufen, es gab sogar eine Mehrheit gegen die Exhumierung. „Nun soll dieses Geheimnis gelüftet werden“, heißt es dazu im Film. „Nun soll“, eine merkwürdige Formulierung. Wer zwingt den Sender dazu? Eitle Selbstdarstellung? Profilierungsdrang in der Wissenschaft?“

 

Peter Laudenbach, Freies Wort, 30.07.2014

 

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Zum Beweis hatte der MDR aufwendige DNA-Vergleiche mit Gewebeproben vom Herzen des Bruders, der als Kind totgeprügelt worden war, sowie der Kaiserin Maria Theresia (Marie Antoinettes Mutter) und heute lebender Verwandter der Bourbonen finanziert. Heraus kam – nichts. Doch dieses Nichts verkündet der Sender nicht kleinlaut, sondern mit der Verheißung, man werde dank der „molekulargenetischen Erkenntnisse“ weiter forschen. …

Der Erkenntnisgewinn solcher Projekte ist zweifelhaft. Unbezweifelbar aber ist die damit verbundene Missachtung von Pietät, Menschenwürde und Anstand.

 

Dieter Bartetzko, FAZ, 30.07.2014

 

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)