Hektor Haarkötter und Filiz Kalmuk haben die Medienseiten der überregionalen Printausgaben der SZ, FAZ und taz sowie der Regionalzeitungen WAZ, Tagesspiegel und Kölner Stadt-Anzeiger analysiert. Insgesamt wurden über 2000 Medienartikel untersucht. In Interviews mit verantwortlichen Medienredakteur*innen wichtiger Printorgane wurden Objektivität, Ausgewogenheit und Themenvielfalt der aktuellen Medienberichterstattung diskutiert.
Der Medienjournalismus deutscher Tageszeitungen zeichnet sich durch eine überwiegend sachliche Berichterstattung aus. Festgestellt wurde ein ausgeglichener Mix von ,harten‘ medienpolitischen Themen einerseits und ,weichen‘ Unterhaltungsthemen andererseits. Politische Parteien werden im Medienjournalismus nicht verzerrt dargestellt; über die „Systemkonkurrenz“ der öffentlich-rechtlichen Medien berichten die privatwirtschaftlich organisierten Zeitungen fair und ausgewogen.
Die Studie über „Medienjournalismus in Deutschland“ identifiziert aber auch Schwachstellen. Die dringend gebotene Reflexion über die gesellschaftlichen Folgen der Medienumwälzungen kommt zu kurz. Veränderungen durch die Digitalisierung und die Europäisierung der Medien-Landschaft spielen eine untergeordnete Rolle, für Belange des Hörfunks zeigt er zu wenig Interesse.
OBS-Arbeitsheft 105 (online)
Aus dieser Untersuchung kann man keine grundsätzlichen Aussagen zur Qualität des Medienjournalismus im Land ableiten. Es wurden sechs (!) Tageszeitungen untersucht. In Berlin (SZ, FAZ, taz, Tagesspiegel) oder Köln (WAZ, Kölner Stadtanzeiger, SZ, FAZ) hat man so ein großes Angebot an Medienkritik, wenn man mehrere dieser Zeitungen kauft.
Anders sieht es in den meisten kleineren Städten aus. Die festgestellte vielfältige Medienkritik wird nur einem kleinen Teil der Bevölkerung angeboten. Diese Medienkritik berichtet zudem fast ausschließlich über Personen sowie Unternehmen und Institutionen, fast nie über das gesamte Mediensystem, dessen Auftrag und Funktionserfüllung in der Gesellschaft.
Wie sich das Gesamtangebot der Medienkritik in den Zeitungen bzw. über alle Medienangebote (Radio, Fernsehen, Online, soziale Netzwerke) hinweg gesehen entwickelt hat, wurde nicht untersucht.
Man kann auch nicht davon sprechen, dass „politische Parteien … im Medienjournalismus nicht verzerrt dargestellt“ werden. Schließlich wurde nicht verglichen, welche Vorschläge diese machten und ob und wie über die Vorschläge berichtet wurde. Ein Vergleich der Erwähnung der Parteien in Berichten auf den Medienseiten mit den Ergebnissen der Bundestagswahl läuft mehrfach ins Leere. Zum einen ist ein Großteil der Medienpolitik Ländersache. Zum anderen agieren in der Rundfunkkommission vor allem SPD und CDU, so dass es nicht verwundert, dass beide fast gleichauf bei den Erwähnungen liegen, obwohl doch die CDU – wenn man sich am Proporz der Bundestagswahl 2017 orientieren würde – anderthalbmal so oft Erwähnung finden müsste. Und nicht zuletzt können Wahlergebnisse kein Kriterium sein, anhand derer man eine Ausgewogenheit der Berichterstattung feststellt.