Wollte das ZDF-Kulturmagazin Aspekte wirklich „ein Gespräch in Gang setzen“, als es Thilo Sarrazin durch Kreuzberg begleitete, fragt spiegel.de. Hätte einem nicht vorher klar sein können, dass man Proteste provoziert, wenn man sich zudem mit einer Kamera begleiten lässt?
„Die Journalistin Güner Balci wollte mit Thilo Sarrazin einen Spaziergang durch Kreuzberg und Neukölln drehen – bis der Pöbel die Dreharbeiten beendete. Nun setzt der Deutsche Kulturrat der denunziatorischen Unkultur die Krone auf.“ So stand es vorab in der FAZ. Nach der Sendung am Freitag hieß es dann, dass „durch koordinierte Vorabberichterstattung“ der „für Sarrazins Aktionen typische Lärm erzeugt“ wurde. Die beiden Protagonisten des Films hätten in Artikeln in Springer-Blättern die Dreharbeiten als von Kreuzberg nicht bestandene Probe auf die Liberalität des multikulturellen Stadtteils geschildert.
Für die taz ist nicht „Sarrazins Gerede das Traurige“, sondern: „Was verwundert, ist das journalistische Selbstverständnis, welches hier zutage tritt. Denn die inszenierte Realität von den Aspekte-Kollegen ist für dieses Format doch ziemlich unterkomplex. Und was soll dem Zuschauer damit eigentlich gesagt werden?“ Und sie stellt fest: „Dabei hatte „Aufbruch Neukölln“, ein Selbsthilfeverein für türkische Männer in Neukölln Sarrazin bereits im letzten Jahr zu einem Gespräch gebeten. Sarrazin kam der Einladung nicht nach – vielleicht lag es daran, dass Journalisten nicht erwünscht waren.“ Warum macht sich die Redaktion zum Marketinginstrument Sarrazins? Und warum stellt sie nicht dar, dass viele der Protestler gar keine Migranten, sondern SPD-Mitglieder gewesen seien, die Sarrazins Thesen kritisieren und ihn am liebsten immer noch aus der Partei ausschließen würden. Muharram Aras, 39-jähriger Anwalt und SPD-Spitzenkandidat in Kreuzberg für die Abgeordnetenhauswahlen, war einer der „Hau-ab“-Rufer: „Sarrazin will doch nur sein Buch promoten und auf Kosten anderer Menschen noch mehr Geld machen“. So zitiert ihn die Berliner Zeitung.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat, so schrieb es das Bundesverfassungsgericht immer wieder, keine „Freiheit an sich“. Er hat eine der Demokratie „dienende Freiheit“ – indem er einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung leistet. Dieser Beitrag sagt viel über das journalistische Verständnis der Autorin und der Redaktion aus, wenig über die reale Situation in Kreuzberg.