Was machen die Intendanten mit den Dokumentationen?

Es ging mehrere Tage durch die Zeitungen. Selbst Radiosender berichteten. Werden die Intendanten der ARD die Dokumentationen opfern? Oder finden sie einen angemessenen Sendeplatz? Eine Variante für den Plasberg-Umzug könnte sein, dass „Hart aber fair“ künftig montags um 21.00 Uhr läuft und die Dokumentationen, die bisher auf diesem Sendeplatz gezeigt wurden, um 22.45 Uhr nach den „Tagesthemen“. „Menschen bei Maischberger“ könnte am späten Dienstagabend bleiben, davor und nach den Serien am Dienstag könnten die bisher auf Montag 21.45 Uhr terminierten Politmagazine platziert werden.

Den Startschuss für die Berichte gab die AG DOK. Am Donnerstag letzter Woche protestierte sie in einem Offenen Brief dagegen, die Dokus am Montagabend um 21 Uhr zu streichen. Damit „soll der letzte dokumentarische Programmplatz, der im Ersten noch zu einer halbwegs akzeptablen Sendezeit verblieben ist, geopfert werden“, wird Thomas Frickel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, zitiert.

Zudem bat er auch um die Rettung der „Fernsehzuschauer und Gebührenzahler vor Programm-Verantwortlichen, die unser öffentlich-rechtliches Fernsehen wie ihr Privateigentum behandeln und denen die Programmphilosophie von RTL, wie sie selbst unverblümt zugeben, näher steht als der öffentlich-rechtliche Programm-Auftrag“. Dies war eine Anspielung auf den ARD-Programmdirektor Volker Herres, der seine persönliche Programmphilosophie kürzlich im Rahmen eines Interview mit dem „Filmkorrespondenz“-Chefredakteur Dieter Anschlag offenbarte.

Der Informationsdirektor der ProSiebenSat1 Media AG, Peter Limbourg, kritisierte eine Verflachung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Hervorragende Sendungen würden in die Nacht oder in Spartenkanäle verschoben. Es ärgere ihn als Gebührenzahler, dass sehr gute Reportagen im Nachtprogramm „versenkt“ würden. Damit steht er nicht allein. Unterstützung erhielt die AG DOK auch vom ehemaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen. Es sei nicht akzeptabel, wenn Reportagen und Dokumentationen in die Nacht rutschten, sagte Pleitgen laut spiegel.de auf dem 15. Mainzer Mediendisput. Pleitgen sieht es laut Kress.de als Fehler an, „Kernelemente“ wie Reportagen und politische Magazine aus dem Hauptprogramm zu verbannen. Frank Plasbergs Polittalk „Hart aber fair“ gehöre ins ARD-Hauptprogramm, Dokumentationen jedoch auch, so Pleitgen.

Auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, sprang den Dokumentaristen bei: „Monokultur statt Vielfalt: Ist das das neue Programmkonzept im Ersten? Bislang war der Dokumentarfilm am Montag eine feste Größe im Programm und muss es auch bleiben. Gerade das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss im Sinne einer thematischen Vielfalt gestaltet sein. Die ARD-Intendanten sollten bei ihrer Entscheidung am Montag nicht vergessen, worin die Einmaligkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems besteht.“

Selbst der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, äußerte am Freitag seine Kritik daran, den Sendeplatz für Dokumentationen am Montagabend einer Talkshow zu opfern. „Mit Sorge verfolge ich Meldungen, wonach die ARD auf der bevorstehenden Intendanten-Konferenz beabsichtigt, die Dokumentationen am Montagabend einer Talkshow zu opfern. Würde dies so umgesetzt, muss ich dies deutlich missbilligen.“ So schrieb er in einem Brief an ARD-Intendant Peter Boudgoust und Programmdirektor Volker Herres.

„Es ist inzwischen so, dass nur noch Menschen mit DVD-Rekordern oder eben die, die ausschlafen können, überhaupt noch Dokumentarfilme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen bekommen“, stellte Andreas Veiel dem Deutschlandradio fest. „Man gewöhnt es den Zuschauern richtig ab, sich auf Formate einzulassen, die komplizierter sind.“ Thomas Frickel konnte die Position der AG DOK, in der auch Andreas Veiel Mitglied ist, dann noch am Samstag im Radio1-Medienmagazin am Samstag deutlich machen.

Der Talkshow-Overkill kommt für Michael Hanfeld aller Wahrscheinlichkeit nach, für Plasberg wird Platz gemacht, das hätten die Programmdirektoren der ARD ihren Chefs in einem Beschluss schon empfohlen. „Dass dafür Gebühren – bald Quasi-Steuern – entrichtet werden müssen, erachten sie als ihr Grundrecht. Das ist „hart“, aber „fair“ ist es nicht“. Zudem ist laut Berliner Zeitung die Frage, „ob alle Talksendungen im Ersten wirklich alle Themengebiete abdecken sollen und die ARD auf diese Weise prominenten Politikern die Gelegenheit bieten will, sich aus den kontroversen Talks wie „Hart aber fair“ heraushalten und in Beckmanns Kuschelhöhle ausweichen zu können“ durch die Intendanten immer noch nicht beantwortet.

Ein Sprecher der ARD betonte am Freitag, dass es noch keine Entscheidungen gebe. „Es gibt viele Varianten. Es ist müßig, jetzt darüber zu diskutieren, was passiert“, betonte er

Mal sehen, was die Intendanten heute bzw. morgen in Berlin entscheiden – und was dazu die Gremienvorsitzenden sagen.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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