Welche Vorwürfe an die KEF in die Irre führen

Aus meiner Sicht kann man nicht ableiten,

  • dass die KEF mit ihren Vergleichen ihre Kompetenzen überschreitet bzw. in die Programmhoheit eingreift, da die KEF auch früher Vergleiche zwischen Angeboten (Tatort 2003/2004; Talkshows; …) angestellt hat und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten die KEF gebeten haben, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vorzunehmen,
  • dass die KEF immer zu Lasten der Anstalten agiert, da sie in einigen Fällen auch die anzuerkennenden Mittel von sich aus höher veranschlagt hat, als die Sender beantragt hatten (z.B. bei eine Erhöhung der anzunehmenden Befreiungen),
  • dass die KEF die ARD immer wieder benachteiligt,
    • da das ZDF öfter als die ARD im Rahmen der „Steigerungsvorgaben“ (Index) der KEF geblieben ist,
    • da es Bereiche gibt, in denen auch das ZDF Kürzungen hinnehmen muss, die ARD jedoch nicht
    • da die prozentuale Verschiebung zu Gunsten des ZDF sich u.a. daraus ergibt, dass die 25 Cent für die Altersvorsorge nunmehr seit 1.1.2017 zu Teilen an das ZDF und Deutschlandradio gehen (ARD: 18,5 Cent (74,1%), ZDF: 5,8 Cent (23,2%) und Deutschlandradio 0,5 Cent (2,7%)).[1]

  ARD ZDF DRadio
12. KEF-Bericht (2000)[2] 72,1164% 25,3311% 2,5525%
14. KEF-Bericht (2004)[3] 71,3900% 26,4200% 2,1900%
16. KEF-Bericht (2008)[4] 70,9200% 26,8700% 2,2100%
18. KEF-Bericht (2012) Kein neuer Vorschlag
19. KEF-Bericht (2014) 72,0454% 25,1813% 2,7733%
20. KEF-Bericht (2016) 71,7068% 25,3792% 2,9140%
21. KEF-Bericht (2018) Kein neuer Vorschlag

Tabelle 1: prozentuale Verteilung der Beitragseinnahmen (Gebühreneinnahmen) unter den Anstalten[5]

 

In einer Pressemitteilung der ARD vom 19.2.2018 heißt es: „Darüber hinaus sind laut Wilhelm die Aussagen der KEF zu einzelnen Programmaufwendungen nicht nachvollziehbar: ‘Die KEF hat keinen Auftrag, sich zur Programmgestaltung zu äußern. Das gilt für die Sportberichterstattung genauso wie für die Krimiproduktion. Der Etat für Sportrechte ist im Übrigen seit 2012 eingefroren.’“[6](online)

Dabei hatte doch der von der ARD beauftragte Prof. Paul Kirchhof in seinem Gutachten zur „Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks” unter „Formen zusätzlicher Transparenz“ ausgeführt: „Beim Erwerb von extern produzierten Talksendungen, Unterhaltungsprogrammen und Filmen könnten auch die aktuellen Kosten von Sendeminuten veröffentlicht werden, wie sie im KEF-Bericht und den Rechnungsprüfungsberichten üblich zu werden scheinen. Das Zustimmungserfordernis bestimmter Gremien für die Vereinbarung bestimmter Entgeltsummen ist Grundlage zumindest für eine interne Transparenz.”[7]

Der KEF-Vorsitzende,  Heinz Fischer-Heidlberger, verweist darauf, dass man noch nie verlangt habe, „dass am Programm gespart werden muss, sondern an den Kosten der Programmherstellung. Das ist schon ein Riesenunterschied. Da geht es schlicht um Kosten. Unser Auftrag ist einfach: Die KEF muss Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit betrachten. Dazu arbeiten wir auch mit Kostenvergleichen. Wir machen diese Untersuchungen zu den Produktionsbetrieben von TV und Hörfunk seit 1979. Untersuchungen zu den Kosten einzelner Formate, wie etwa den Tatort, macht die KEF seit 2003. Wissen Sie, wer uns darum gebeten hat? Der damalige SR-Intendant und spätere ARD-Vorsitzende Fritz Raff.“[8]

 

Wenn einige Intendantinnen und Intendanten darauf verweisen, dass der Rundfunkbeitrag seit 2009  nicht gestiegen sei – und somit suggerieren, dass auch die Gesamteinnahmen nicht gestiegen seien –, so greift diese Darstellung zu kurz. Entscheidend ist nicht die Höhe des Beitrags sondern die Höhe der Gesamteinnahmen. (So können z.B. die Gesamteinnahmen selbst bei sinkenden Beitragseinnahmen steigen, wenn dies durch höhere Werbeeinnahmen bzw. Beteiligungserträge mehr als ausgeglichen werden.) Die Gesamteinnahmen lagen/liegen:

  • 2005 – 2008 bei 32,3 Mrd. Euro (IST)
  • 2009 – 2012 bei 34,3 Mrd. Euro (IST)
  • 2013 – 2016 bei 36,3 Mrd. Euro (IST)
  • 2017 – 2020 bei 37,6 Mrd. Euro (PLAN)

 

Auch zieht aus meiner Sicht das Argument nicht, dass über die Gesamtetats gesehen die Steigerungen der Einnahmen zu gering seien, um die medienspezifische Teuerungsrate auszugleichen. Diese Behauptung wird bisher auch nicht durch konkrete Zahlen unterlegt.[9] Laut §3 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag hat die KEF die Aufgabe, „unter Beachtung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten den von den Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarf fachlich zu überprüfen und zu ermitteln.

Dies bezieht sich darauf, ob sich

  • die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages halten und ob der aus ihnen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend und
  • im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie
  • unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand ermittelt worden ist.

Die Prüfung, ob der Finanzbedarf im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt worden ist, umfasst auch, in welchem Umfang Rationalisierungs- einschließlich Kooperationsmöglichkeiten genutzt werden.“[10]

 

Dass die Sender nicht immer auf dem „Teuerungsausgleich“ bestehen, zeigt ein Blick zurück. So forderte im Jahr 2005 der damalige ARD-Vorsitzende und Intendant des Bayrischen Rundfunks, Dr. Thomas Gruber,  die Höhe der Rundfunkgebühr an den Verbraucherpreisindex zu koppeln und begründete dies so: „Diese Steigerungsrate spiegelt die allgemeine Entwicklung im Land wider und gewährleistet, dass die Rundfunkanstalten im Rahmen der allgemeinen Entwicklung bleiben.

Durch Abstellen auf den Verbraucherpreisindex, so Gruber, sei die medienspezifische Teuerungsrate für die ARD künftig ohne Belang. Außerdem entfalle bei einem Indexierungsmodell die gesonderte Finanzierung des Entwicklungsaufwands. Die Mindereinnahmen müssten deshalb kontinuierlich durch entsprechende Rationalisierungen ausgeglichen werden. Zudem sei durch das Abstellen auf die allgemeine Inflation auch der Gesichtspunkt einer angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer gewahrt.

Allerdings müsse, so Gruber weiter, auch bei einer Indexierung eine Korrekturmöglichkeit eingebaut sein, um möglichen europa- und verfassungsrechtlichen Vorwürfen der Überkompensation zu begegnen. Hierfür würde unverändert der Sachverstand der KEF benötigt.“[11]

 

Auch die Forderung der Sender, eine Anmeldung über zwölf Jahre hinweg vorzunehmen, um so eine größere Planungssicherheit zu haben, bringt Probleme mit sich. Laut Ulrich Wilhelm „plädiert die ARD für eine Modernisierung des KEF-Verfahrens. Wir brauchen mittel- und langfristig mehr Planungssicherheit.“[12] Vor zwölf Jahren, in 2006, war Facebook noch nicht der Marktführer bei den sozialen Netzwerken in Deutschland. Viele der heutigen Anbieter gab es damals noch nicht. „Zwölf Jahre sind ein enorm langer Zeitraum in der Medienwirtschaft. Möglicherweise gibt es in dieser Zeit mehr oder weniger Beitragszahler, mehr Befreiungen, wenn die Wirtschaftslage sich verschlechtert, oder weniger Betriebe. Von Anpassungen des medialen Angebots selbst und Veränderungen des Nutzerverhaltens ganz zu schweigen. Es ist alles etwas kurz gedacht. Ich glaube, die Diskussion in den Sendern hat einen ganz anderen Hintergrund. Man will eigentlich weg von den Dauerdiskussionen in der Öffentlichkeit und den Länderparlamenten um Auftrag und Finanzierung. Dann müsste man nicht alle vier Jahre eine politische Debatte über die Höhe des Rundfunkbeitrags führen.“ So der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger.[13]

 

Was man der KEF vorwerfen kann, ist, dass sie seit längerer Zeit jedes Jahr Wirtschaftlichkeitsabschläge vornimmt und bei der ARD eine Personal-Abbaurate von 0,5% festgesetzt hat. (Allerdings könnte die Politik, also die Ministerpräsidenten sowie Landesparlamente, verlangen, dass keine solche Abbaurate mit einberechnet werden soll.)

 

Aus meiner Sicht liegen die Probleme nicht bei der KEF. Sie ist ein Instrument, dass die Politik geschaffen hat und für das die Politik Vorgaben gemacht hat. Allerdings bewegt sie sich auch im Rahmen dieser Vorgaben und verweist darauf, dass unter den gegenwärtigen Randbedingungen sie beim nächsten Mal eine Beitragserhöhung vorschlagen muss.

 

 

Quellen:

[1] 21. KEF-Bericht, Tz. 161,S. 125.

[2] Hier wurde der Anteil auf die Gesamtgebühr berechnet. Bis 2012 gab es eine Grundgebühr, die nur für den Radio- bzw. PC-Empfang entrichtet wurde. Diese wurde in die Berechnung nicht mit aufgenommen.

[3] Ebenda.

[4] Ebenda.

[5] Die Beitragseinnahmen von ARD, ZDF und Deutschlandradio werden mit 100 Prozent gleich gesetzt.

[6] ARD-Pressemitteilung vom 19.2.2018: Reaktion auf 21. KEF-Bericht: ARD kritisiert Zuschätzungen sowie Kürzungen beim Personalaufwand. http://www.ard.de/home/die-ard/presse-kontakt/pressearchiv/KEF_Bericht__ARD_kritisiert_Zuschaetzungen___Kuerzungen/4661384/index.html (15.03.2018).

[7] Prof. Paul Kirchhof: Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 92. Nomos. 2017.

[8] Heinz Fischer-Heidlberger: „Es geht schlicht um die Kosten“. Süddeutsche Zeitung, 5.3.2018. http://www.sueddeutsche.de/medien/rundfunkbeitrag-es-geht-schlicht-um-kosten-1.3892793 (15.3.2018).

[9] Lorenz Wolf: Ehrliche Reformdebatte. Für einen Rundfunk, der gemeinsames Eigentum ist. epd medien, Nr. 14, 6.4.2018, S. 6.

[10] §3 Absatz 1 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag

[11] ARD-Pressemitteilung vom 13.07.2005: ARD will einfaches Verfahren für Rundfunkgebühren

Bindung an den Verbraucherpreisindex vorgeschlagen.  https://www.presseportal.de/pm/29876/701507 (15.03.2018).

[12] ARD-Pressemitteilung vom 19.2.2018: Reaktion auf 21. KEF-Bericht: ARD kritisiert Zuschätzungen sowie Kürzungen beim Personalaufwand. http://www.ard.de/home/die-ard/presse-kontakt/pressearchiv/KEF_Bericht__ARD_kritisiert_Zuschaetzungen___Kuerzungen/4661384/index.html (15.03.2018).

[13] Heinz Fischer-Heidlberger: „Es geht schlicht um die Kosten“. Süddeutsche Zeitung, 5.3.2018. http://www.sueddeutsche.de/medien/rundfunkbeitrag-es-geht-schlicht-um-kosten-1.3892793 (15.3.2018).

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