Digitalfernsehen.de hatte mich gefragt, ob die Kabelnetzbetreiber zu Recht Urheberrechtsgebühren zahlen oder ob diese nicht gegenüber den Satellitenbetreibern sowie den Betreiber terrestrischer Sendenetze benachteiligt werden. Eine Zusammenfassung des Interviews findet sich hier.
Hier nun das ausführliche Interview:
1. Die Anbieter von Funk und Satellit müssen keine Urheberrechtsgebühren zahlen, nur die Kabelanbieter. Sehen Sie darin eine Benachteiligung für die Kabelnetzbetreiber und damit auch für die Kabel-Kunden, die diese Kosten zwangsweise mit tragen müssen?
Auf den ersten Blick und oberflächlich gesehen scheinen die Kabelnetzbetreiber benachteiligt bzw. unzulässig finanziell belastet zu werden. Es sieht so aus, als ob sie, wie z.B. die Satellitenbetreiber, nur Programme weiterleiten.
Doch auf den zweiten Blick gesehen ist die Kabelübertragung nicht mit der Satellitenübertragung gleichzusetzen. Der Kabelnetzbetreiber verfügt immer über eine Endkundenbeziehung. Satelliten- und insbesondere Betreiber von terrestrischen Sendenetzen haben zumeist keine solche Endkundenbeziehung. Sie vermieten Übertragungskapazität an Sendeunternehmen für die originäre Sendung der Programme. Allerdings ermöglicht insbesondere die Technologie der Kabelweiterverbreitung dem Kabelanlagenbetreiber, eigene, neue Geschäftsmodelle anzubieten und zu vermarkten.
Rechtlich handelt es sich bei der Satellitenübertragung wie auch bei der terrestrischen Verbreitung von Rundfunkprogrammen um eine eigene Erstsendung des Senders. Diese Erstübertragung schafft – rechtlich gesehen – die Voraussetzung, dass Kabelnetzbetreiber diese Programme weiter verbreiten können. (Der Gesetzgeber spricht von dem „Recht auf Kabelweitersendung“.) Dies ist auch praktisch so. Die Kabelnetzbetreiber erhalten die Programme nicht direkt, sondern sie nutzen die Signale, die andere ausstrahlen, um die neu zusammengestellten Programme Dritten anzubieten. Die Kabelnetzbetreiber verfolgen also einen grundlegend anderen Geschäftsansatz, aus dem sich auch eine andere urheberrechtliche „Bewertung“ ergibt.
Die von den Kabelnetzbetreibern entwickelten Geschäftsmodelle erzeugen einen Mehrwert. Dieser wäre ohne die zugelieferten Programme nicht möglich. Auch die Urheber sollen, so wollte es der Gesetzgeber, grundsätzlich von den so generierten Einnahmen profitieren.
2. Sollten die Richter im Sinne der Kabelnetzbetreiber entscheiden und diese von ihrer Vergütungspflicht gegenüber den Verwertungsgesellschaften und Sendeunternehmen freisprechen, müssten die durch die Verwertungsgesellschaften vertretenen Urheber auf Einkünfte verzichten. Wie könnte Ihrer Meinung nach eine Regelung aussehen, die die Technologieneutralität gewährleistet aber nicht zum Nachteil von Urhebern ist?
Aus meiner Sicht ist die Technologieneutralität gewährleistet. Ich kann doch die Bedingungen für Satellitenbetreiber und Betreiber terrestrischer Sendenetze nur dann mit den Kabelnetzbetreibern gleichsetzen, wenn die Kabelnetzbetreiber entweder die TV-Programme den Endkunden kostenlos anbieten oder die Satellitenbetreiber zusätzliche entgeltliche Leistungen – wie zum Beispiel Plattformen – anbieten. Im letzteren müssten dann aus meiner Sicht auch heute schon diese Anbieter Urheberrechtsabgaben zahlen.
3. In wie weit ist dabei auch der Gesetzgeber gefragt?
Sollten die Richter die gegenwärtige gesetzliche Lage monieren, dann ist der Gesetzgeber gefordert, die Dinge klar zu regeln. Klar ist: wenn die Betreiber Geschäftsmodell entwickeln, sind an den zusätzlichen Einnahmen auch die Urheber zu beteiligen.
4. Im Fall einer positiven Entscheidung würden die Kabelanbieter je nach Größe Kosten einsparen, die an die Kunden weitergegeben werden könnten. Der Fachverband Rundfunk- und Breitband-Kommunikation (FRK) hält eine Senkung der monatlichen Gebühren von bis zu fünf Prozent für möglich. Glauben Sie, dass die Kabelnetzbetreiber diese Möglichkeit als Option betrachten?
Der FRK spricht davon, dass beim Wegfall der Urheberrechtsabgabe die Verbraucher monatlich zwischen 20 und 75 Cent entlastet werden könnten. (Quelle) Leider hat der FRK seine Rechnung nicht öffentlich nachvollziehbar dargestellt. Noch vor zwei Jahren hatte der FRK von den privaten TV-Sendern eine Einspeisegebühr von zwei Cent gefordert, um mit den großen Kabelbetreibern gleichgestellt sowie Urheberrechtsabgabe kompensiert zu bekommen. (Quelle)
Kabel Deutschland (KDG) gibt an, dass man jährlich 7 Mio. Euro an Urheberrechtsabgabe zahlen würde. Das Unternehmen hat ca. 9 Mio. Kunden. Wenn KDG die Urheberrechtsabgabe nicht mehr zahlen müsste, könnte es also die Endkunden um 80 Cent im Jahr bzw. fast 7 Cent im Monat entlasten. Übrigens: KDG erzielte im Jahre 2011 bei einem Umsatz von fast 1,7 Mrd. Euro einen operativen Gewinn von 795 Mio. Euro.
Allerdings ist die Lage vieler kleiner Kabelnetzbetreiber nicht mit KDG vergleichbar. Deren Situation ist finanziell angespannt. Man muss in neue Technologien und Geschäftsmodelle investieren.
5. Oder sehen sie viel eher die Möglichkeit, dass vor allem die großen Kabelanbieter wegfallende Kosten durch die Urheberrechtsgebühr als Kompensation für den möglichen Zahlungsstopp von Einspeiseentgelten von Seiten der Öffentlich-Rechtlichen betrachten?
KDG erhält 27 Mio. Euro an Einspeiseentgelten von ARD und ZDF. Die Urheberrechtsabgabe liegt bei 7 Mio. Euro. Von einer Kompensation kann man da erst einmal nicht sprechen. Allerdings sind die Gewinne des Unternehmens exorbitant hoch – und sie steigen weiter. So sieht es auch bei Unitymedia Kabel BW aus, das am 15. Dezember 2011 durch die Fusion von Kabel BW und Unitymedia entstanden ist.
6. Die Urheberrechtsgebühren sind eines der großen Argumente der Kabelnetzbetreiber für die Einspeisegebühren. Wäre diese Forderung nach Kabelentgelten noch gerechtfertigt, wenn die bestehende Vergütungspflicht nach §20b Urheberrechtsgesetz wegfallen würde?
Die Einspeiseentgelte für die beiden großen Kabelnetzanbieter sind ein Relikt deutscher Vergangenheit. Vergleichbare Entgeltstrukturen, dass Kabelanlagenbetreiber sowohl von Programmveranstaltern als auch von Kabelendkunden Entgelte realisieren, sind soweit ersichtlich in den europäischen Nachbarländern auch nicht existent. In den USA bezahlen die Kabelnetzbetreiber sogar die Sender dafür, deren Programm ausstrahlen zu dürfen.
Zudem: die kleinen deutschen Kabelnetzbetreiber haben noch nie Entgelte erhalten. In Deutschland sollten die Gelder der Sender („Kabelgroschen“), die zuerst an die noch staatliche Deutsche Bundespost flossen, dem Ausbau des Kabelnetzes dienen. Trotz der Privatisierung des Kabelnetzes wurde dieses Privileg unnötigerweise fortgeschrieben.
Die Einspeisegebühren, die die großen Kabelnetzbetreiber fordern, kann man also nicht aus der Urheberrechtsabgabe ableiten. Die Urheberrechtsabgabe ergibt sich rechtlich aus dem Geschäftsmodell der Kabelnetzbetreiber. Einfach gesprochen: Sie zahlen die Urheberrechtsabgabe dafür, mit der Übertragung der Programme Einnahmen – und auch Gewinne – zu generieren.