„Der Wettbewerb nahezu aller Fernsehprogramme um das Phantasma des Mehrheitspublikums beschädigt insbesondere jene Sendungen / Formate, die mehr als nur wiederkehrend angebotene Sushis sein wollen. Wer sagt denn, dass es nicht auch ein Fernsehen geben könnte, das mit Leidenschaft und Kennerschaft die zahlreichen Minderheiten bedient?! Kontinuierlich und parallel zu jenen Emissionen, die ihre Fischzüge in den Mehrheitsgewässern machen, also Sport und Polit-Talk – und um deren Fortbestand man sich wirklich keine Sorgen zu machen braucht!
Die Vorstellung einer „mehrheitlich“ strukturierten Gesellschaft, so wie man sie aus dem Programmangebot des TV ableiten könnte, halte ich für eine Chimäre bzw. eine krude medienpolitische Konstruktion. Tatsächlich zerfällt – im besten Sinn – die für das TV relevante Gesellschaft bzw. Zuschauerschaft in eine Vielzahl von singulären Minderheiten, für die es keine oder nur rudimentäre Programme gibt. Ja, man könnte sie mit diesem minoritären Kanälen richtiggehend entdecken und wecken!
Selbst wenn Sendungen dieses Formats gelegentlich auftauchen, dann sogleich in marginalisierter oder stigmatisierter Weise: das heißt selten, willkürlich und zu unzumutbaren Sendezeiten – und überdies in einer zugetexteten Form, welche das souveräne Filmbild ignoriert oder gar nicht erst zulassen möchte. Das Argument, die Aufzeichnungstechnik habe mittlerweile das Sendezeitenschema obsolet gemacht, wird ja von den Sendern selbst dementiert, indem sie sich ziemlich eisern an „Vorabend“, „Prime time“ und „Late night“ halten.“
So Hanns Zischler über seinen Traum vom Fernsehen. Vorgestellt am 13. Februar 2012 bei einer Veranstaltung der Deutschen Akademie für Fernsehen in Berlin. Es war sein Impuls zur Diskussion zum Thema „Stell dir vor es ist Quote und keiner zahlt“.
Epdmedien (10/2012, S. 34 f.) dokumentierte den Beitrag.