Hätte Aiwanger mit der Opferrolle Wahlkampf gemacht? Natürlich, das macht er ja sogar ohne Entlassung. Wäre das schön gewesen für die politische Kultur? Gar nicht schön. Wie hätte das die Freien Wähler verändert? Zumindest landespolitisch womöglich zu einer neuen Protestpartei. Aber wenn die Freien Wähler sich doch von ihrem Alleinunterhalter Aiwanger getrennt hätten? Wären sie ziemlich sicher abgestürzt und hätten vielleicht bald rechtspopulistische Konkurrenz durch eine „Liste Aiwanger“ bekommen. Und was wäre mit der CSU passiert? Die hätte viele Heimatbewahrer unter ihren Mitgliedern und Wählern an Aiwanger verloren, so viele eventuell, dass man von einer seismischen Bewegung in der Parteienlandschaft hätte sprechen müssen.
Ja, Markus Söder hat am Sonntag opportunistisch entschieden, aus heißer Angst und kühler Abwägung. Zugleich hat er verhindert, zumindest für den Moment, dass auch die letzte Volkspartei den Weg des Zerfalls geht.
Roman Deininger, sueddeutsche.de, 08.09.2023 (online)