In diesem Jahr wird Rundfunk in Deutschland 100. Von Anfang an nutzten Menschen das Medium auch selbstbestimmt. Alex Körner forscht zu deren Geschichte. […]
Einige haben selbst Empfänger gebaut. Schon im April 1924 gründete sich der Arbeiter-Radio-Klub. Da traf man sich zum Basteln und Radiohören. Solche Werkstätten gab’s bald in über 150 Städten. Die Mitglieder haben schnell gemerkt, dass das Programm wenig mit ihrer Lebensrealität zu tun hatte. Man wollte selbst zu Wort kommen. Bald war aber klar, dass das in der Weimarer Republik nicht wirklich möglich war. So kam es zunehmend zu illegalen Sendeaktionen. […]
Zum Beispiel so wie Silvester 1931, da hat ein kommunistischer Techniker die Rundfunkansprache von Reichspräsident Hindenburg gekapert und 15 Minuten lang seine Sicht auf den Jahreswechsel dargelegt. Im Raum Berlin war das ganz gut zu hören. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass es in Berlin illegale Sendeaktionen gab, um auf Zwangsräumungen hinzuweisen. […]
Der kommunistische Ableger der Arbeiterradiobewegung, der Freie Radio Bund, wurde 1933 direkt verboten. Die Nationalsozialisten wussten um die Wirkung des Rundfunks. […]
Politisch linkes Radio kam in der BRD erst mit den Neuen Sozialen Bewegungen in den 70ern auf. Damals entstanden viele alternative Medien, um eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Ende der 70er gab es in der BRD über 100 illegale Radioinitiativen, sogenannte Piratensender. Da war die ganze Bandbreite linker Themen vertreten: von Anti-AKW bis Hausbesetzung. […]
Piratenradio war ein Katz- und Mausspiel. Lustig war das nur, bis Menschen erwischt wurden: Auf illegales Senden standen bis zu fünf Jahre Knast. […]
Die Freien Radios in Deutschland haben sehr unterschiedliche Bedingungen, weil deren Finanzierung Ländersache ist. Auch inhaltlich sind sie divers: Von linker Theorie bis zu unpolitischen Musiksendungen ist alles vertreten. Trotzdem eint sie noch immer der Grundgedanke, Radio fernab von kommerziellen und staatlichen Interessen zu machen.
Amira Klute, taz.de, 08.11.2023 (online)