Streaming, Musik, Podcasts, Social Media: Nie war es leichter, sich unterhalten zu lassen. Doch die Fülle an digitalen Medien scheint dazu zu führen, dass die Menschen sich immer mehr langweilen. Die Freude über den freien Abend verpufft im unübersichtlichen Angebot des Streamingportals. […]
Die Situation lässt sich als absurd beschreiben: Noch nie war es leichter, sich unterhalten zu lassen. Filme, Serien, Podcasts, Social Media, Texte – fast jeder Wunsch lässt sich mit einem Klick oder einem Wischen auf dem Display erfüllen. Trotzdem, so schreiben die Psychologen Katy Tam und Michael Inzlicht in einem Überblicksartikel in Communications Psychology, grassiere die Langeweile. Große internationale Studien zeigten, dass die Menschen seit etwa 15 Jahren zunehmend angeödet sind. […]
Sich auf ein Angebot einzulassen heißt, Tausende andere auszulassen. Jede halbherzige Entscheidung lädt sich dadurch sofort mit Zweifel auf: Vielleicht doch einen anderen Film ausprobieren? Wer zu viele Möglichkeiten hat, entscheidet sich am Ende womöglich für gar nichts und ekelt sich vor sich selbst, während er Social-Media-Kram wegglotzt. Die Psychologen ziehen ein ernüchterndes Fazit: Weil die digitalen Medien einen unstillbaren Durst nach Stimulation nährten, drohe eine Spirale wachsender Langeweile. Wie öde.
Sebastian Herrmann, sueddeutsche.de, 14.11.2024 (online)