Vor allem aber heißt das eines: kein Politiker, keine Regierung, kann der AfD den Zustrom an Wählerstimmen kurzfristig abstellen. Keiner kann Menschen, die bei knapp sechs Prozent Arbeitslosenrate und allgemeinem Arbeitskräftemangel Angst haben, arbeitslos zu werden, diese Angst nehmen. Niemand ist in der Lage, Menschen die Angst zu nehmen überfallen und ausgeraubt zu werden, solange sie sich nicht für die (seit Jahren zurückgehenden) Verbrechensstatistiken interessieren, sondern spektakulären Einzelfällen viel mehr Beachtung schenken. Und kein Politiker kann Menschen, die sich abgehängt fühlen, überzeugen, dass sie gar nicht abgehängt wurden. Wenn Friedrich Merz also der AfD Stimmen abjagen will, dann nicht, indem er in ihre Fußstapfen tritt und gegen Einwanderer und „kleine Paschas“ wettert, sondern indem er seine Sondervermögen in den ländlichen Raum und seine Anbindung investiert, dafür sorgt, dass dort wenigstens syrische, iranische oder ukrainische Ärzte angesiedelt werden und mehr Straßenleuchten aufgestellt werden. Letzteres – das zeigten Untersuchungen aus den Niederlanden von vor 20 Jahren – trägt mehr zur Senkung der Verbrechensangst bei als Polizeipatrouillen und härtere Strafen. Aber das alles würde – selbst wenn es jemand wagen würde – höchstens mittelfristig helfen. Kurzfristig würde es schon wegen des Echos in Medien und Öffentlichkeit der AfD noch mehr Stimmen zutreiben. So schnell, wie Merz die AfD auf die Hälfte reduzieren müsste, um selbst davon zu profitieren, kann keine Regierung, kein Parlament, kein Verfassungsgericht solche Maßnahmen umsetzen – jedenfalls nicht in einem Rechtsstaat.
Klaus Bachmann, berliner-zeitung.de, 17.05.2025 (online)