Plädoyer für eine radikale Umkehr der deutschen Kulturpolitik, die sich an der gesellschaftlichen Relevanz und den Verdiensten der Filmkunst orientieren sollte
Die aktuelle Krise des Kinos hat viel mit der Digitalisierung und der Corona-Pandemie zu tun, aber auch mit einer falschen Filmpolitik. Denn der Filmkunst wurde nie die Aufmerksamkeit und Wertschätzung zuteil, die ihr aufgrund ihrer gesellschaftlichen Relevanz zustehen müsste. Mehr als alle anderen Künste hat der Film und insbesondere das Kino hohe gesellschaftliche Synergien bewirkt. Ein Plädoyer für eine radikale Umkehr der Kulturpolitik von Daniel Sponsel.
Die längst anstehende und dringend notwendige Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) ist um ein weiteres Jahr verschoben worden; aktuell bleibt es bei vorübergehenden Anpassungen. Dabei hat die Kinofilmbrache aufgrund von Digitalisierung und Corona-Pandemie in den letzten Jahren einen drastischen Einbruch erlebt; umso dringender bräuchte es richtungsweisende kulturpolitische Entscheidungen. Es geht dabei um weit mehr als um das Nachjustieren eines Geschäftsmodells. Das Gezerre der verschiedenen Interessensgruppen und die Unentschlossenheit der Kulturpolitik sind nicht zielführend.
Die Filmkultur ist in Deutschland nie wirklich in den inneren Kreis der Hochkultur vorgedrungen und deshalb nicht im gleichen Maße gefördert worden. Dabei hat der Film und insbesondere das Kino zu jeder Zeit mehr an substanziellem gesellschaftlichem Kontext und Synergien geleistet als jede andere Kulturform. Kunst kommt von Können, die kulturpolitischen Maßnahmen vom Wollen. […]
Durch eine Aufhebung der vermeintlichen Trennung von kultureller und wirtschaftlicher Filmförderung im Förderdschungel zwischen Bund und Ländern und einer deutlich verstärkten Förderung vor allem der Distribution und Präsentation könnten wichtige Signale gesendet werden. Auch in der Kulturförderung kann Geld nur einmal ausgegeben werden. Es geht dabei vor allem um eine Entsprechung zur gesellschaftlichen und kulturellen Relevanz und den Werten der geförderten Kultur. Die Filmkunst und das Kino sind wesentliche kulturelle Angebote zur Stärkung aller Aspekte der demokratischen Zivilgesellschaft. Der Film ist seit jeher die gefährlichste aller Künste, mit Werken zwischen Verführung und Subversion. Und die Kinos sind Orte der kollektiven Erfahrung von Film und des künstlerischen und sozialen Transfers.
Daniel Sponsel, Filmdienst, 20.12.2022 (online)