Nun, viele haben vergessen, dass früher ARD, ZDF und vor allem die Dritten regelrechte Showlabore für neue, freche Unterhaltungs-Shows waren. Besonders in den Dritten wurden regelmäßig Shows erfunden, die dann bei Erfolg ins Erste wanderten oder – zum Beispiel Zimmer frei! – auf viele Jahre beim WDR den Sonntagabend schmückten und definierten. […]
Denn: Auch in Montreux gewannen deutsche Shows damals die berühmten „Rosen“ (Total Normal 1992) – das öffentlich-rechtliche Fernsehen mischte mit in der internationalen Showbranche und durfte nicht, wie heute, nur brav importieren und Lizenzen bezahlen. […]
Überhaupt war in den 90ern überall der Einfluss der sogenannten Kleinkunst zu spüren – Variety- und Comedy-Talente durften sich auf jeden Fall bei den Dritten ausprobieren, wenn sie nicht gleich wie Sissi Perlinger ins Erste durften, und zwar in die Primetime um 21.45 Uhr am Dienstag. […]
Wir waren da mal ganz gut und unterhaltsam, und das öffentlich-rechtlich finanziert. Hätten wir neue deutsche Shows, könnten wir die ja ins Ausland verkaufen und wieder Geld in die Kassen reinholen (wir fragen mal nach bei den Holländern und Koreanern – beides übrigens kleinere Länder als Deutschland –, was man da so verdient). Ich würde jedenfalls gerne mal wieder eine Rose oder vielleicht sogar einen Emmy für eine deutsche Originalshow erleben. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat die Ressourcen und die Erfahrung dafür.
Thomas Herrmann. sueddeutsche.de, 17.09.2024 (online)