Das Internet fühle sich heute leerer an, wie ein weiter Flur, auch wenn es mit mehr Inhalten gefüllt ist als je zuvor, heißt es dort. Mehr rechtskonservative Echokammer anstatt Wundertüte. Zudem sei der Umgang hierarchischer geworden. Tiktok, Twitch und andere Plattformen funktionieren eher wie Sendestationen anstatt wie ein Marktplatz der Ideen. Waren die sozialen Medien früher eher ein Ort der Konversation, ist eine gleichberechtigte Unterhaltung nicht mehr unbedingt notwendig, sondern nur noch das Beobachten und Zuhören. In diesem Klima werden nur jene Inhalte beworben und geteilt, auf die sich die Masse ohnehin einigen kann, es herrscht die Tyrannei der lautesten Stimme; das traditionelle Verständnis von Ruhm und Erfolg hat sich im Netz fortgesetzt. […]
Heute werden diese roten Linien in den Konzernzentralen formuliert, und das oberste Gebot lautet oft genug, das Nutzerengagement und Anzahl der Klicks nicht zu beeinträchtigen. Und das ist bei allem Pessimismus vielleicht die wichtigste Lektion: All die schlechten Dinge, an denen man sich jeden Tag stört, wohnen nicht der Technik selbst inne. Sie sind absichtlich eingebaut worden.
Michael Moorstedt, sueddeutsche.de, 05.11.2023 (online)